Die Augen sind das wichtigste Glied im visuellen Wahrnehmungssystem des Menschen. Etwa 60 % aller Umweltinformationen gelangen durch sie in unser Gehirn. Sie nehmen Lichtreize auf und wandeln sie in elektrische Signale um, die über die Ganglienzellen des Sehnervs ins Gehirn weitergeleitet werden. Nicht weniger als 126 Millionen Sehzellen sitzen in der Netzhaut jedes Auges. Sie teilen sich auf in die so genannten Stäbchen und Zapfen. Die Stäbchen sind sehr viel lichtempfindlicher als die Zapfen, können allerdings keine Farben unterscheiden. Von den Zapfen gibt es drei verschiedene Typen, die jeweils auf Licht verschiedener Wellenlänge empfindlich reagieren: Die blau-, grün- und rotempfindlichen Sinneszellen ermöglichen uns das Farbensehen.
Allerdings sprechen sie wegen ihrer geringeren Lichtempfindlichkeit in der Dämmerung nicht mehr an. „Nachts sind alle Katzen grau“ heißt es, weil wir im Mondlicht nur mit den Stäbchen sehen. Die meisten Zapfen liegen in der Sehgrube, dem gelben Fleck. In dieser flachen Einsenkung in der Mitte des Augenhintergrundes stehen die Sehzellen besonders dicht, es ist die Stelle des schärfsten Sehens. In der Umgebung des gelben Flecks mischen sich Zapfen und Stäbchen und am äußeren Rand der Netzhaut gibt es nur noch Stäbchen. Die Austrittsstelle des Sehnervs wird als „blinder Fleck“ bezeichnet. Dort fehlen die Sinneszellen. Der fehlende Bildteil wird aber im Gehirn aus der Umgebung ergänzt.
Das rezeptorische Feld
Um ein Bild bewusst wahrzunehmen, müssen die elektrischen Reize an das Gehirn weitergeleitet werden. „Nur“ 800.000 Ganglienzellen – im Vergleich zu den 126 Millionen Sinneszellen – bilden den Sehnerv. Jede Ganglienzelle erhält von verschiedenen Sehzellen Signale, aber auch jede Sehzelle leitet an mehrere Nervenzellen Reize weiter. Darüber hinaus sind die Sinneszellen auch „horizontal“ verschaltet, beeinflussen sich also auch gegenseitig. Dies führt je nach Art des Lichtreizes zu einer Verstärkung oder Hemmung des Reizes in benachbarten Zellen. Alle Sehzellen, die über ein Ganglion Impulse weitergeben, werden als „rezeptorisches Feld“ bezeichnet. Die von außen in das Auge gelangenden Informationen werden durch dieses Verschalten und Bündeln so bereits in Ansätzen ausgewertet. Die „Weiterverarbeitung“ dieser Flut von Lichtreizen übernimmt dann das Gehirn.
Eine Eins-zu-Eins-Wiedergabe des Gesehenen heißt nicht, dass wir es auch verstehen. Vielmehr bedarf es einer Musteranalyse im Gehirn: Die weitergeleiteten Lichtreize müssen zunächst interpretiert werden, bevor wir sie einordnen können. Ein Großteil des Sehens findet demnach erst im Gehirn statt. Anfang des 20. Jahrhunderts kamen die Psychologen dem Prinzip, auf die Schliche. Die „Gestalttheorie“ nach dem Frankfurter Professor Max Wertheimer besagt, dass der Mensch gar nicht anders kann, als „Gestalten“ zu sehen.
Wir sehen Gestalten
Wir nehmen nie eine Summe oder Folge von einzelnen Sehreizen wahr, sondern das Bild als Gesamtheit. Dabei streben unsere Sinne stets nach Ordnung, nach einer möglichst einfachen, sinnvollen Interpretation des Gesehenen. Die Betrachtung einer Szene führt demnach immer zur Wahrnehmung einer möglichst einfachen Struktur. Sehr prägnante Formen sind beispielsweise Kreise, rechte Winkel und Geraden. Die grundlegenden Gruppierungsgesetze, nach denen unsere Wahrnehmung eine Musteranalyse vollzieht, lauten folgendermaßen:
Gesetz der Ähnlichkeit
Ähnliche Elemente werden zu in sich möglichst einheitlichen Gruppen zusammengefasst.
Gesetz der Nähe
Die Gruppierung erfolgt auf Grundlage eines möglichst geringen Abstands der Objekte, so dass möglichst dichte und stark voneinander isolierte Gruppen entstehen. Das Gesetz der Ähnlichkeit wird überstimmt.
Gesetz der guten Fortsetzung
Linien, die einen durchgehenden Linienzug besitzen und möglichst wenig gekrümmt sind, gruppieren sich am besten zu einer sinnvollen Einheit.
Gesetz der Geschlossenheit
Geschlossene Linienzüge vereinigen sich leichter zu einer Gestalt als solche, die keine Fläche umschließen. Überstimmt das Gesetz der Nähe.
Gesetz der Erfahrung
Vorwissen und Erfahrung spielen bei der Gruppierung von Bildelementen eine bedeutende Rolle.
Gesetz des gemeinsamen Schicksals
Sich in die gleiche Richtung bewegende Elemente werden als Gruppe wahrgenommen
Autorin: Daniela Baum