Brüten in Gesellschaft: Paläontologen haben in Rumänien die bisher älteste artübergreifende Brutgemeinschaft entdeckt. Sie bargen an einer 70 Millionen Jahre alten Fundstelle nicht nur Eierschalen von Urvögeln, sondern auch von kleinen Reptilien. Demnach müssen sich mindestens vier Wirbeltiergruppen diesen Nistplatz geteilt haben. Wahrscheinlich profitierten die Reptilien dabei vom Schutz durch die größeren Federtiere.
Das Zeitalter der Dinosaurier ist auch für seine vielen unterschiedlichen Arten von Flugsauriern bekannt. Doch sie waren damals nicht die einzigen Herrscher der Lüfte: In der Kreidezeit hatte auch die urtümliche Vogelgruppe der Enantiornithes bereits zahlreiche Spezies hervorgebracht.
Diese Federtiere bauten Nester und brüteten wahrscheinlich in Kolonien. Fossilfunde legen zudem nahe, dass ihre Jungtiere Nestflüchter gewesen sein könnten. Doch das ist auch schon alles, was Paläontologen bisher über das Brut- und Brutpflegeverhalten der Enantiornithes wissen.
Fossile Eierschalen im Blick
Nun liefert ein Fund aus Rumänien neue spannende Einblicke: Vor neun Jahren wurden im Gebiet Transsylvaniens die Überreste einer Vogelkolonie entdeckt – mit in tausende Stücke zerbrochenen Eierschalen, einigen ganzen Eiern sowie einzelnen Knochen. Könnte es sich um einen Brutplatz der Enantiornithes handeln?
Um diese Frage zu beantworten, hat ein Team um Mariela Soledad Fernández von der Universität Jinan in China die rund 70 Millionen Jahre alten Fossilien genauer unter die Lupe genommen und das versteinerte Material mithilfe der Elektronenmikroskopie untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass hier tatsächlich die besagten Urvögel gebrütet hatten – aber nicht nur.
Geteilter Nistplatz
Bei ihren Analysen identifizierten die Wissenschaftler insgesamt vier unterschiedliche Typen von Eierschalen: Während der Großteil der Schalen den Enantiornithes zugeordnet werden konnte, lagen am Fundort auch Eierschalen einer anderen, nicht näher bestimmbaren Vogelgruppe sowie von Gecko-ähnlichen Echsen und kleinen Vorgängern der heutigen Krokodile.
Das bedeutet, dass sich mindestens vier Wirbeltier-Taxa den Nistplatz geteilt haben müssen, wie das Team berichtet: „Wir wissen sehr wenig über das Brutpflegeverhalten der Vögel des Erdmittelalters“, sagt Christian Laurent von der Transsylvanischen Museumsgesellschaft in Cluj-Napoca. „Diese Forschungsarbeit legt nahe, dass die Enantiornithes ihre Brutplätze nicht nur mit anderen Vögeln teilten, sondern sogar Reptilien in ihrer Nähe tolerierten.“
Älteste Brutgemeinschaft
Die Forscher vermuten, dass die Nestumgebung der Urvögel kleineren Reptilien Sicherheit bot. Sie profitierten vom Schutz der werdenden Vogeleltern, die ihre Nester aufmerksam bewachten. Dabei scheinen die erwachsenen Vögel die urtümlichen Eidechsen und Krokodile nicht als Bedrohung für ihre Eier und Jungtiere wahrgenommen zu haben – wahrscheinlich weil die Tiere sehr viel kleiner waren als sie selbst.
Stimmt diese Theorie, wäre es der früheste Beleg einer derartigen Brutstrategie, wie Fernández und ihre Kollegen betonen. Zwar gibt es theoretisch eine zweite Erklärung für die Anwesenheit fremder Eier in der Kolonie: Die Vögel könnten die Reptilieneier und -schalen als Nahrungs- oder Calciumquelle genutzt haben. Weil die Schalen jedoch keine Zeichen einer Reise durch einen Verdauungstrakt aufweisen, halten die Forscher diese Option für unwahrscheinlich.
Im Schutz fremder Nester
Tatsächlich gibt es auch heute noch Tiere, die ihre Eier im Schutz fremder Nester ablegen. „Ein solches Verhalten lässt sich zum Beispiel in Argentinien beobachten. Dort legt der Schwarzweiße Teju seine Eier in die Nester von Kaimanen. Denn die Echse weiß, dass Krokodilweibchen während der Inkubationsphase ihrer Eier nicht fressen und somit keine Gefahr für den Nachwuchs darstellen“, schließt Laurent. (Scientific Reports, 2019; doi: 10.1038/s41598-018-36305-3)
Quelle: University of Southampton/ Nature Press