Durchwachte Nächte: Forscher haben weitere Gene identifiziert, die mit Schlaflosigkeit in Verbindung zu stehen scheinen. Demnach können bestimmte Varianten in insgesamt 956 DNA-Abschnitten die Anfälligkeit für Insomnie erhöhen. Besonders interessant dabei: Die nun entdeckten Risikogene überschneiden sich zum Teil mit Genen, die in Zusammenhang mit psychiatrischen Erkrankungen wie Depressionen stehen.
Schlaf ist für unseren Körper und unser Gehirn überlebenswichtig. Doch immer mehr Menschen können von dieser nächtlichen Ruhepause nur eingeschränkt profitieren: Sie leiden unter Schlafstörungen und Insomnie. Aktuellen Untersuchungen zufolge sind weltweit rund 800 Millionen Menschen chronisch von solchen Problemen betroffen. Diese Patienten finden nur schwer in den Schlaf, schlafen unruhig oder mit Unterbrechungen und fühlen sich am nächsten Tag oft wie gerädert.
Das macht sie nicht nur müde, reizbar und unkonzentriert, sondern kann auch spürbare gesundheitliche Konsequenzen nach sich ziehen. Denn auf Dauer erhöht Schlafmangel das Risiko für Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sogar Depressionen, wie Studien belegen.
Genetische Komponente im Blick
Was aber ist die Ursache für die weit verbreiteten Ein- und Durchschlafprobleme? „Es gibt Hinweise darauf, dass Insomnie zu einem nicht unerheblichen Teil auf eine genetische Komponente zurückzuführen ist“, schreiben Philip Jansen von der Freien Universität Amsterdam und seine Kollegen. „Bisher sind in diesem Zusammenhang jedoch erst wenige konkrete Risikogene identifiziert worden.“
Um dies zu ändern, haben die Wissenschaftler nun Daten von insgesamt 1,3 Millionen Menschen ausgewertet – und damit ihrer Aussage nach den bis dato größten Datensatz dieser Art. Konkret analysierten Jansen und sein Team Informationen zum Schlafverhalten und brachten diese in Verbindung mit dem Erbgut der Probanden. Würden sich Zusammenhänge zwischen genetischen Auffälligkeiten und Insomnie finden lassen?
956 Risikogene
Tatsächlich wurden die Forscher fündig: Insgesamt fanden sie 956 Gene, in denen bestimmte Varianten das Risiko für Insomnie zu erhöhen scheinen. Weitere Untersuchungen zeigten, dass ein Teil dieser DNA-Abschnitte eine entscheidende Rolle für die Funktionalität von Axonen spielt – jenen Nervenzellfortsätzen, die im Gehirn elektrische Impulse weiterleiten. Ein anderer Teil der identifizierten Risikogene ist dagegen nur in speziellen Hirnzelltypen aktiv, unter anderem in Neuronen im Hypothalamus und Claustrum.
„Unser Studie zeigt, dass Schlafstörungen – wie so viele neuropsychiatrische Erkrankungen – durch hunderte unterschiedliche Gene beeinflusst werden“, sagt Jansens Kollegin Danielle Posthuma. „Das einzelne Gen ist dabei weniger interessant. Was zählt, ist ihr kombinierter Effekt, der sich schließlich auf das Insomnie-Risiko auswirkt.“
Zusammenhang mit Depressionen
Interessanterweise überschneidet sich die Vielzahl der nun identifizierten DNA-Abschnitte kaum mit den Genen, die Wissenschaftler in Verbindung mit anderen Schlafeigenschaften wie dem Chronotyp bringen. Stattdessen gibt es offenbar große Gemeinsamkeiten mit Risikogenen für kardiovaskuläre Erkrankungen, aber auch für psychiatrische Leiden wie Angststörungen und Depressionen.
„Das ist ein wichtiges Ergebnis. Denn bisher haben wir die Ursachen der Insomnie immer im Bereich von Hirnschaltkreisen gesucht, die den Schlaf regulieren“, konstatiert Mitautor Eus Van Someren vom Niederländischen Institut für Neurowissenschaften. „Jetzt zeigt sich, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf Bereiche richten müssen, die Emotionen und Stress kontrollieren.“
„Ein großer Schritt nach vorne“
In Zukunft wollen die Forscher die neu gefundenen Risikogene und ihre Rolle für bestimmte biologische Prozesse im Gehirn genauer untersuchen – in der Hoffnung, die Schlafstörungen und mögliche Behandlungsoptionen besser zu verstehen. „Diese Arbeit bedeutet einen großen Schritt nach vorne für das Verständnis der genetischen Grundlagen der Insomnie und wir können nun beginnen, die damit in Verbindung stehenden Mechanismen zu erforschen“, schließt das Team. (Nature Genetics, 2019; doi: 10.1038/s41588-018-0333-3)
Quelle: Nature Press/ Freie Universität Amsterdam