Verändertes Timing: Zugvögel kommen heute früher aus ihren Winterquartieren nach Europa und Kanada zurück als noch vor einem halben Jahrhundert. Wie eine Studie zeigt, hat sich die Frühlingsmigration in diesem Zeitraum im Schnitt um eine Woche nach vorne verschoben. Schuld an dem veränderten Vogelzug ist die Erderwärmung. Vielerorts beginnt der Frühling inzwischen früher – und das beeinflusst auch das Verhalten der Vögel, wie die Forscher berichten.
Der Klimawandel wirkt sich zunehmend auch auf die Vogelwelt aus. Vor allem die Nomaden unter den Federtieren haben in den vergangenen Jahrzehnten bereits merklich auf die steigenden globalen Temperaturen reagiert: Viele von ihnen ziehen inzwischen nicht mehr so weit in den Süden wie früher oder sind gar sesshaft geworden, wie Untersuchungen belegen.
Auch das Timing des Vogelzugs verändert sich – wie stark, das haben Wissenschaftler um Aleksi Lehikoinen von der Universität Helsinki nun am Beispiel von Arten aus Europa und Kanada untersucht. Sie wollten wissen: Wann kehren die Zugvögel im Frühling aus ihren warmen Winterquartieren zurück? Dafür beobachteten sie von 1959 bis 2015 195 Spezies an 21 über Nordeuropa und Kanada verteilten Beobachtungsstationen.
Eine Woche früher als vor 50 Jahren
Das Ergebnis: Die Frühlingsmigration hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte immer weiter nach vorne verschoben. Im Schnitt kommt ein typischer Zugvogel heute demnach etwa eine Woche früher zurück als noch vor einem halben Jahrhundert. Dabei gibt es jedoch deutliche Unterschiede zwischen den Arten, wie die Auswertungen der Daten zeigten. So hat sich der Zeitpunkt des Frühlingszugs bei den meisten Langstreckenfliegern weniger stark verändert. Bei Vögeln, die in den Tropen überwintern, verschob sich das Timing pro Jahrzehnt nur um 0,6 bis 1,2 Tage.
Bei Kurzstreckenfliegern, die in Europa oder Nordamerika den Winter verbringen, sind die Abweichungen dagegen größer – rund 1,5 bis zwei Tage pro Dekade. Bei einigen dieser Spezies gibt es laut der Analyse besonders große Veränderungen: Zu diesen extremen Beispielen gehört der Singschwan (Cygnus cygnus). Er komme heute zwei Wochen früher in seinen Brutgebieten in Finnland an als in den 1980er Jahren, berichten Lehikoinen und seine Kollegen.
Stärkste Abweichungen bei Frühfliegern
Doch auch innerhalb einer Spezies haben offenbar nicht alle Vögel ihre Wanderungszeiten gleichermaßen angepasst. So weisen die, die sich traditionell als erste auf den Weg machen, die stärksten Abweichungen ihres Migrationsverhaltens auf. Wer später in der Saison losfliegt, hat sein Timing in den vergangenen Jahren im Vergleich weniger stark verändert, wie die Forscher herausfanden.
Ein möglicher Grund: Die frühen Migranten einer Art sind in der Regel Brutpaare. Sie müssen unbedingt rechtzeitig aus ihrem Winterquartier zurückkehren, um ihren Nachwuchs unter optimalen Bedingungen großziehen zu können. Spätflieger brüten dagegen meist nicht – und haben somit auch keinen Druck, sich rasch in Richtung Norden aufzumachen. Diese Unterschiede führen dem Team zufolge dazu, dass sich die Migrationsphase insgesamt verlängert hat.
Temperaturveränderungen als Erklärung
Die neuen Ankunftszeiten der Zugvögel lassen sich dem Forscherteam zufolge gut mit lokalen Temperaturveränderungen erklären: Je früher der Frühling beginnt, desto früher kommen die Vögel zurück und desto länger ist die Migrationsphase. „Vögel in Europa haben ihren Migrationszeitpunkt weiter nach vorne verlegt als in Kanada“, erklärt Mitautor Andreas Lindén von der Novia Universität für Angewandte Wissenschaften in Ekenäs. „Denn die Frühlingstemperaturen in Europa sind im Zuge des Klimawandels rascher gestiegen.“ (Ecological Indicators, 2019; doi: 10.1016/j.ecolind.2019.01.083)
Quelle: Universität Helsinki