Astronomie

Kann Dunkle Materie kollidieren?

Resonante Streuung könnte Verteilung der Dunklen Materie in Galaxien erklären

Zwerggalaxien
In den Zentren von Zwerggalaxien ist die Dunkle Materie weniger dicht als sie sein müsste. Resonante Kollisionen der Dunkle-Materie-Teilchen könnten dies erklären. © Kavli IPMU, NASA/ STScI

Rätsel gelöst? Bisher ist strittig, ob die Dunkle Materie mit sich selbst wechselwirken kann oder nicht. Jetzt könnte ein neues Modell die widersprüchlichen Daten erklären. Demnach können die Teilchen der Dunklen Materie nur dann kollidieren, wenn sie eine bestimmte Geschwindigkeit und damit Energie besitzen. Nur dann tritt eine Resonanz auf, die ihre Interaktion ermöglicht. Sollte sich dies bestätigen, wäre dies auch ein wichtiger Hinweis auf die Masse der noch immer nicht identifizierten Teilchen.

Obwohl die Dunkle Materie mehr als 80 Prozent aller Materie im Universum ausmacht, ist ihre Natur noch immer rätselhaft. Zwar scheint klar, dass sie durch die Gravitation das Verhalten von Himmelskörpern und Galaxien beeinflusst. Doch man weiß weder, aus welchen Teilchen die Dunkle Materie besteht, noch ob diese Teilchen miteinander wechselwirken können – beispielweise indem sie kollidieren oder sich selbst auslöschen. Es gibt bisher Indizien dafür, aber auch dagegen.

Rätselhafte Diskrepanzen in Galaxienzentren

Und noch etwas ist merkwürdig: Den Modellen zufolge müsste die Dunkle Materie im Zentrum von Galaxien besonders dichte Klumpen bilden. Doch das ist nicht immer das Fall: „Viele Zwerggalaxien und einige lichtschwache Spiralgalaxien haben eine geringere Dunkle Materie-Dichte im Zentrum als erwartet“, erklären Xiaoyong Chu von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien und seine Kollegen.

Resonanz
Normalerweise passieren sich Dunkle-Materie-Teilchen ohne zu interagieren. Doch bei einer bestimmten Energie kommt es zur Resonanz und sie können aneinander streuen. © Kavli IPMU

Theoretisch könnten Kollisionen der Dunkle-Materie-Teilchen untereinander diese Diskrepanz erklären: Wenn sie zusammenstoßen, dann prallen sie ab und werden weggeschleudert oder aber sie löschen sich sogar aus. Dadurch würde der Klumpen aus Dunkler Materie im Galaxienzentrum ausgedünnt, so die Theorie. Das Problem dabei: Das müsste dann in allen Galaxienkernen passieren – und nicht nur in den Zwerggalaxien und Spiralen, die vom Modell abweichen.

Kollision nur bei Resonanz?

Jetzt jedoch könnten Chu und sein Team dieses Dilemma gelöst haben. Denn sie haben nun ein Modell entwickelt, das erklärt, warum die Teilchen der Dunklen Materie mal wechselwirken und kollidieren, mal nicht. Demnach sind Kollisionen dieser Partikel nur dann möglich, wenn sie mit einer ganz bestimmten, eher niedrigen Geschwindigkeit zusammenprallen. Denn nur dann kommt es zu einer Resonanz, die ihre Interaktion erlaubt.

Der Clou dabei: In Zwerggalaxien bewegt sich die Dunkle Materie eher langsam und kann daher aneinander streuen, wie Chu erklärt. „Das geschieht dagegen nicht in Galaxienhaufen, wo sie sich schnell bewegen. Sie müssen eine Resonanz treffen, damit es zur Kollision kommt“, so der Forscher. Er vergleicht dieses Phänomen mit der Resonanz einer einer Gitarrensaite, die nur dann mit einer Stimmgabel mitschwingt, wenn sie richtig gestimmt ist.

SIMPs würden gut zum Modell passen

„Zuerst waren wir etwas skeptisch, ob diese Idee die Daten aus Beobachtungen erklären würde“, berichtet Koautor Camilo Garcia Cely vom Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY. „Aber als wir es ausprobiert haben, hat es fantastisch funktioniert.“ Wie die Forscher feststellten, kann diese resonante Streuung der Dunklen Materie deren Massendefizit in allen astrophysikalischen Größenordnungen erklären. Die Resonanz tritt ihrem Modell zufolge dann auf, wenn die Energie der Teilchen nahe ihrer zweifachen Masse liegt.

Damit könnte diese Theorie auch Rückschlüsse auf die noch immer unbekannte Masse der Dunklen-Materie-Teilchen erlauben: Wie die Forscher ermittelten, würden die bisher von einigen Physikern postulierten SIMPs – Strongly interacting Massive Particles – gut ins Bild passen. Diese aus einem Quark und einem Antiquark bestehenden Teilchen sollen kleiner und leichter sein als die bisher favorisierten WIMPs (Weakly Interacting Massive Particles) und anders als diese über die Gravitation untereinander wechselwirken.

„Soweit wir wissen, ist unser Modell die einfachste Erklärung für das Rätsel. Sie könnte uns beim Verständnis, was Dunkle Materie ist, ein großes Stück voranbringen“, sagt Koautor Hitoshi Murayama von der University of California Berkeley. Im nächsten Schritt will das Forscherteam seine Theorie mit weiteren Beobachtungsdaten untermauern. (Physical Review Letters, 2019; doi: 10.1103/PhysRevLett.122.071103)

Quelle: Kavli Institute for the Physics and Mathematics of the Universe, Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY

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