Biologie

Skurril: Würmern wächst Kopf nach

Regenerationsfähigkeit der Meeresbewohner entstand vor überraschend kurzer Zeit

Nemertea
Einem Schnurwurm (Tubulanus sexlineatus) wächst der Kopf nach (links). © Terra C. Hiebert

Neue Regenerationskunst: Forscher haben Meereswürmer entdeckt, die ihren Kopf vollständig regenerieren können. Wird dieses Körperteil abgetrennt, wächst es einfach nach. Das Überraschende dabei: Diese Fähigkeit ist anders als erwartet noch sehr jung. Demnach entwickelten einige der Würmer erst vor zehn bis 15 Millionen Jahren ihr Talent zur Kopferneuerung. Dies widerlegt eine gängige Annahme zum evolutionären Ursprung solcher Regenerationsfähigkeiten.

Verlorenes Gewebe einfach nachwachsen lassen: Während dem menschlichen Körper dies nur bedingt gelingt – zum Beispiel bei Haut und Leber – sind andere Wesen des Tierreichs wahre Regenerationskünstler. So kann die mit Quallen verwandte Hydra jedes verlorene Körperteil binnen kürzester Zeit vollständig nachbilden und für den Axolotl ist selbst durchtrenntes Rückenmark oder verletztes Netzhautgewebe kein Problem.

Solche „Superkräfte“ sind vor allem von vergleichsweise primitiven Arten bekannt. „Je komplexer und moderner die Lebensformen, desto seltener und weniger stark ausgeprägt sind ihre regenerativen Fähigkeiten“, schreiben Eduardo Zattara von der Smithsonian Institution in Washington und seine Kollegen. Aus diesem Grund ging man bisher davon aus, dass die Gewebereparatur ein urtümliches Merkmal ist, das im Laufe der Evolution bei den meisten Spezies verloren ging – und nur bei einigen wenigen erhalten blieb.

Regeneration von hinten – und von vorne

Doch diese Annahme muss nun womöglich verworfen werden, wie die Forscher herausgefunden haben. Für ihre Studie untersuchten sie die Regenerationsfähigkeit von Meereswürmern aus der Gruppe der Schnurwürmer. Diese sogenannten Nemertea können Längen von wenigen Millimetern bis zu 30 Metern erreichen und sind bereits häufiger durch ihre Gewebereparaturkünste aufgefallen.

Auch bei den nun untersuchten 35 Arten zeigte sich: Alle diese einfach gebauten Urmünder waren dazu in der Lage, ihr Hinterteil nachwachsen zu lassen. Acht dieser Spezies verfügten darüber hinaus über ein weniger verbreitetes Talent – sie konnten sogar ihren Kopf vollständig erneuern, wenn dieser abgetrennt wurde. Diese seltene Fähigkeit ist an sich schon beeindruckend. Noch interessanter war jedoch, was Zattara und sein Team anschließend feststellten.

Erst vor kurzem entstanden

Die Wissenschaftler wollten wissen: Wo liegen die evolutionären Wurzeln dieser Regenerationsfähigkeit? Mithilfe genetischer Analysen rekonstruierten sie, wann dieses Merkmal bei den Würmern entstanden war. Das überraschende Ergebnis: Das Talent geht mitnichten auf einen alten gemeinsamen Vorfahren dieser Würmer zurück. „Der Vorfahre dieser Gruppe von Würmern konnte seinen Kopf nicht regenerieren“, berichtet Mitautorin Alexandra Bely vom Institut für Meereswissenschaften in Barcelona.

Demnach scheint diese Eigenschaft nicht im Laufe der Evolution verlorengegangen, sondern stattdessen bei einigen Arten dazugekommen zu sein. Und das vor erstaunlich kurzer Zeit: „In einem Fall tauchte die Fähigkeit zur Regeneration des Kopfes erst vor rund zehn bis 15 Millionen Jahren auf“, sagt Bely.

Spannende Forschungsobjekte

Was ist das Geheimnis hinter der Gewebereparatur und wie entsteht sie? Bei der Suche nach Antworten auf diese Fragen könnten in Zukunft auch die Nemertea weiterhelfen. „Diese Arten haben erst vor kurzem regenerative Fähigkeiten entwickelt und stellen daher exzellente Modelle dar, um die Entwicklung neuen Regenerationspotenzials bei Tieren zu erforschen. Wir können nun Fragen stellen wie: Welche molekularen Prozesse führen zur Entstehung solcher Fähigkeiten?“, schließt Bely. (Proceedings of the Royal Society B, 2019; doi: 10.1098/rspb.2018.2524)

Quelle: University of Maryland/ Proceedings

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