Physik

1,3 Milliarden Volt in einer Gewitterwolke

Elektrische Energie in Gewitter ist zehnmal höher als gedacht

Gewitterwolke
Bei einem heftigen Gewitter haben Forscher für die elektrische Spannung in der wolke 1,3 Milliarden Volt ermittelt – zehnmal mehr als je zuvor gemessen. © mdesigner125/ iStock.com

Extrem geladen: Gewitterwolken erzeugen mehr elektrische Energie als gedacht. Bei einem besonders heftigen Gewitter haben Forscher jetzt Spannungswerte von 1,3 Milliarden Volt ermittelt – das ist zehnmal mehr als bisher durch Ballonmessungen nachgewiesen. Die elektrische Leistung erreichte sogar zwei Gigawatt – das ist der erste Nachweis so hoher Energien in einer Gewitterwolke. Diese enormen Energien könnten erklären, warum einige Gewitter sogar Gammastrahlen und Antimaterie produzieren.

In einer Gewitterwolke entstehen mit der Zeit starke Ladungsunterschiede, die sich in Donner und Blitzen entladen. Diese können Stromstärken von mehreren zehntausend Ampere erreichen und in Sekundenbruchteilen die umgebende Luft bis auf 30.000 Grad aufheizen. Doch die enormen Energien des Gewitters setzen auch Reaktionen in Gang, die weit exotischere Folgen haben: Es werden energiereiche Gammastrahlen und sogar Antimaterie in Form von Positronen produziert.

Kosmische Teilchen als Spannungsmesser

Rätselhaft nur: Die bisher gemessenen Energien in Gewitterwolken reichen eigentlich nicht aus, um solche Gammablitze hervorzubringen. Um mehr herauszufinden, haben B. Harihara vom Tata Institut für Grundlagenforschung in Mumbai und sein Team eine neue Methode genutzt, um Gewitterwolken zu durchleuchten: Sie werteten Daten des GRAPES-3-Detektors in Indien aus. Diese Anlage aus rund 400 Sensoren misst ständig den Einstrom von Partikeln der kosmischen Strahlung auf die Erde.

GRAPES-3
Blick auf einige der Detektoren des GRAPES-3-Experiments. © GRAPES-3

Pro Minute registriert der GRAPES-3-Detektor rund 2.5 Millionen Myonen – dem Elektron eng verwandte, aber rund 200-mal massereichere Elementarteilchen. Der Clou dabei: Wie das Elektron sind auch die Myonen elektrisch geladen und lassen sich daher von elektrischen Feldern ablenken. Wenn nun eine Gewitterwolke über den Detektor hinwegzieht, schluckt sie einen Teil der aus dem All einströmenden Myonen – und aus dem Abfall der Myondichte können Forscher auf die elektrischen Energien in der Wolke schließen.

Für ihre Studie werteten die Forscher die von GRAPES-3 gemessenen Myonenveränderungen bei 184 Gewittern aus.

1,3 Milliarden Volt in der Wolke

Das Ergebnis: Wie erwartet verringerten alle Gewitter den Myoneneinstrom – ein Ereignis aber ragte heraus: Am 1. Dezember 2014 fielen die Myonenwerte besonders stark ab. Auslöser dafür war eine Gewitterwolke, die gut elf Kilometer hoch aufragte und sich über 380 Quadratkilometer erstreckte. Als die Physiker mithilfe eines Modells die dafür nötige elektrische Feldstärke ausrechneten, kamen sie auf unerwartet hohe Werte:

„Diese Gewitterwolke produzierte ein elektrisches Potential von 1,3 Milliarden Volt“, berichten Harihara und seine Kollegen. Dies ist zehnmal mehr als bisher mithilfe von Ballons und Messflugzeugen ermittelt worden war. Auch wenn dieses Gewitter offenkundig ein besonders extremer Vertreter seiner Gattung war, belegt dies doch, dass in diesen Wolken höhere Energien erreicht werden können als bisher angenommen.

Erster Beleg für Gigawatt-Gewitter

Beeindruckend war auch die elektrische Leistung, die diese Gewitterwolke entfaltete: Aus dem schnellen Aufbau dieser Spannung schließen die Physiker, dass die elektrische Energie in der Wolke rund zwei Milliarden Watt entspricht – das entspricht der gesamten elektrischen Leistung des Hoover-Staudamm-Wasserkraftwerks in den USA. „Diese Studie liefert damit den wahrscheinlich ersten direkten Beleg für die Erzeugung von Gigawatt-Potentialen in Gewitterwolken“, konstatieren die Forscher.

Interessant sind diese Resultate jedoch nicht nur im Hinblick auf das Innenleben der Gewitterwolken – sie könnten auch erklären, warum manche Gewitter selbst extrem energiereiche Gammastrahlen produzieren. Auch wenn die Ergebnisse erst noch durch Messungen bei weiteren, ähnlich starken Gewittern bestätigt werden müssen, könnte damit das Rätsel der Gewitter-Gammablitze einer Lösung näher kommen.

„Ein solches Gigawatt-Potential in Gewitterwolken könnte die Produktion der 100-Megaelektronenvolt- Gammastrahlen in den terrestrischen Gammablitzen erklären“, sagen Harihara und seine Kollegen. (Physical Review Letters, 2019; in press)

Quelle: APS, Science News

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