Sechster Sinn: Auch der Mensch könnte über einen eingebauten Magnetkompass verfügen. Wie EEG-Untersuchungen zeigen, reagiert das Gehirn zumindest bei manchen Individuen auf Veränderungen erdähnlicher Magnetfelder. Es zeigen sich dann charakteristische Veränderungen der Hirnaktivität – Signale, die den Forschern zufolge typisch für die Verarbeitung sensorischer Reize sind.
Zugvögel orientieren sich auf ihren langen Reisen maßgeblich daran und auch Fische, Meeresschildkröten, Wildschweine und Hunde besitzen diesen besonderen Sinn: Sie können das Magnetfeld der Erde wahrnehmen. Doch was ist mit dem Menschen – verfügen auch wir über einen magnetischen Sinn?
Diese Frage ist hoch umstritten. So belegen Untersuchungen des menschlichen Gehirns zwar, dass sich dort magnetische Kristalle befinden, die möglicherweise zur Orientierung genutzt werden können. Verhaltensexperimente lieferten bislang jedoch widersprüchliche Ergebnisse. „Der Magnetsinn könnte beim Menschen unbewusst funktionieren und nur schwach ausgeprägt sein“, schreiben Connie Wang vom California Institute of Technology in Pasadena und ihre Kollegen. Dies erschwere es, seine Existenz nachzuweisen.
Veränderte Hirnschwingung
Um das Rätsel um einen möglichen sechsten Sinn des Menschen zu lösen, haben die Wissenschaftler daher nun einen direkteren Ansatz gewählt. Sie testeten, ob sich im Gehirn Reaktionen auf Veränderungen des Erdmagnetfelds beobachten lassen. Für ihre Studie setzten sie Probanden in einem nach außen abgeschirmten und verdunkelten Raum Magnetfeldern aus, deren Stärke mit dem der Erde vergleichbar war. Mithilfe der Elektroenzephalografie (EEG) analysierten sie, ob sich währenddessen die Hirnaktivität wandelte.
Das Ergebnis: Offenbar kann das Gehirn tatsächlich auf Veränderungen des Erdmagnetfeld reagieren. So stellten die Forscher fest, dass eine geomagnetische Stimulation zumindest bei manchen Studienteilnehmern wiederholt zu Auffälligkeiten im Signal der Alphawellen führte. Den Messungen nach fiel die Amplitude dieser Hirnschwingungen deutlich, wenn das Magnetfeld rotierte.
„Unsere Tests zeigen, dass die neuronale Antwort empfindlich für die dynamischen Komponenten des Feldes ist, aber auch von seinen statischen Bestandteilen und seiner Polarität beeinflusst wird“, schreiben Wang und ihre Kollegen.
Reaktion auf externe Reize?
Das Interessante: Veränderungen der Alpha-Oszillationen, wie sie das EEG im Experiment anzeigte, sind Hirnforschern nicht unbekannt. Solche kurzfristigen Dämpfungen der Alphawellen gelten als typischer Hinweis darauf, dass das Gehirn gerade sensorische Reize aus der Umwelt verarbeitet. Die Probanden bekamen von diesen Vorgängen in ihrem Kopf allerdings nichts mit: Sie gaben stets an, keinerlei Veränderungen gespürt zu haben.
Nach Ansicht der Wissenschaftler liefern ihre Ergebnisse ein weiteres Argument für die Existenz eines Magnetsinns auch beim Menschen. Ob sie wirklich Recht haben, müssen nun allerdings weitere Studien klären. Wie weit verbreitet ist dieser Sinn, wie sensibel reagiert er und beeinflusst er unser Verhalten? Auch dies sind Fragen, die erst künftige Untersuchungen werden beantworten können. (eNeuro, 2019; doi: 10.1523/ENEURO.0483-18.2019)
Quelle: Society for Neuroscience/ bioRxiv