Physik

Asymmetrie von Materie und Antimaterie nachgewiesen

Daten des Teilchenbeschleunigers LHC belegen Abweichungen im Zerfallsverhalten

Meson
Hinweis auf eine Asymmetrie von Materie und Antimaterie: Beim Zerfall von D0-Mesonen (rechts) treten bestimmte Zerfallsformen häufiger auf als beim Zerfall der Antio-D0-Mesonen. © CERN/ LHCb-Kollaboration

Meilenstein der Teilchenphysik: Physiker am CERN haben eine lange gesuchte Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie nachgewesen. Erstmals stellten sie Unterschiede beim Zerfall des sogenannten D0-Mesons und seinem Antiteilchen fest. Das Spannende daran: Dies ist der erste Fall einer CP-Asymmetrie bei einem Teilchen, das ein Charm-Quark enthält. Damit sind nun solche Abweichungen im Verhalten von Materie und Antimaterie bei drei Quark-Sorten bekannt.

Obwohl beim Urknall gleiche Mengen Materie und Antimaterie entstanden, dominiert im heutigen Universum die Materie – aber warum? Physiker vermuten, dass winzige Unterschiede zwischen Teilchen und ihren Antimaterie-Gegenparts dafür verantwortlich sind. Bisher allerdings gibt es bei den Grundmerkmalen keine Anzeichen dafür: Magnetverhalten, Masse-Ladungsverhältnis, Reaktion auf die starke Kernkraft und auch das Spektrum stimmen überein.

Auf der Suche nach CP-Asymmetrien

Nur in einem Punkt sind Physiker bisher fündig geworden: bei der sogenannten CP-Invarianz. Sie besagt, dass sich ein Antiteilchen trotz umgekehrter Ladung und gespiegelter Ausrichtung genauso verhalten muss wie sein „normales“ Gegenstück. In den 1960er Jahren jedoch wiesen Forscher erstmals eine Verletzung dieser Regel bei einem K-Meson nach, einem Partikel aus einem Strange- und einem Bottom-Quark.

Das Problem: Die Asymmetrie nur bei diesem Teilchen reicht nicht aus, um das Ungleichgewicht von Materie und Antimaterie zu erklären. Deshalb suchen Teilchenphysiker schon seit Jahrzehnten nach weiteren Fällen einer solchen CP-Asymmetrie. Erste Indizien dafür gab es 2017 am Teilchenbeschleuniger LHC: Beim Zerfall des Lambda-b0-Baryons und seines Antiteilchens

Erster Nachweis für das Charm-Quark

Jetzt aber gibt es eine echte Entdeckung: Die Physiker der LHCb-Kollaboration am CERN haben erstmals eine CP-Asymmetrie bei einem D0-Meson nachgewiesen – einem Teilchen aus einem Charm-Quark und einem Up-Antiquark. Sie registrierten eine Abweichung im Zerfallsmuster zwischen den D0-Meson und seinem Antiteilchen, deren Signifikanz bei 5,3 Sigma liegt. „Das übertrifft klar die Grenze von fünf Sigma, ab der etwas in der Teilchenphysik als Entdeckung gilt“, so die Forscher.

Damit ist eine solche Verletzung der CP-Invarianz nun erstmals bei einer dritten Quarksorte belegt. Nach den Strange- und Bottom-Quarks tritt die Asymmetrie demnach auch beim Charm-Quark auf. „Das Ergebnis ist ein echter Meilenstein der Teilchenphysik“, sagt CERN-Forschungsdirektor Eckhard Elsen. „Seit der Entdeckung des D0-Mesons vor mehr als 40 Jahren haben Teilchenphysiker vermutet, dass es auch in diesem System eine CP-Verletzung geben könnte.“ Nachweisen konnte man es aber nie – bis jetzt.

Zerfall im LHCb
Typischer Zerfall bei einer Kollision im LHCb-Detektor. Dabei entstehen unter anderem kurzlebige D0-Mesonen, die dann weiter zerfallen © CERN

Zerfall von Meson und Anti-Meson verglichen

Entdeckt haben die Physiker die neue CP-Asymmetrie bei der Auswertung von Daten des LHCb-Experiments am Large Hadron Collider (LHC) des CERN. Bei den Kollisionen von fast bis auf Lichtgeschwindigkeit Protonen in diesem Detektor entstehen kurzlebige D0-Mesonen, die in Kaonen oder Pionen zerfallen. Der Theorie nach müsste es winzige Unterschiede geben, wenn statt eines D0-Mesons ein Anti-D0-Meson zerfällt.

Für ihre Analyse werteten die Forscher Zerfallsdaten beider Laufzeiten des Teilchenbeschleunigers aus. „Diese große Zahl der Zerfälle hat uns die nötige Sensitivität gegeben, um den winzigen Anteil dieser CP-Verletzungen aufzuspüren „, berichtet Giovanni Passaleva, Sprecher der LHCb-Kollaboration. „Um das Ausmaß dieser Abweichung zu messen, haben wir im Prinzip die D0- und Anti-D0-Zerfälle gezählt und verglichen.“

Hinweis auf neue Physik?

Die Entdeckung der CP-Verletzung beim D0-Meson könnte dabei helfen, das große Rätsel der Materie-Antimaterie-Asymmetrie zu lösen. Denn die bisher nachgewiesenen CP-Abweichungen reichen noch nicht aus, um das heutige Ungleichgewicht dieser beiden „Spiegelwelten“ zu erklären, wie die Physiker erklären. Nachdem nun erstmals eine CP-Verletzung beim Charm-Quark nachgewiesen ist, eröffnet dies ein ganz neues Suchgebiet für weitere Phänomen dieser Art.

Gleichzeitig könnten weitere Untersuchungen von aus Charms bestehenden Teilchen dabei helfen, das Standardmodell der Physik zu überprüfen – und möglicherweise endlich Indizien für eine „neue“ Physik“ zu finden, wie die CERN-Physiker erklären. Noch allerdings bewegt sich auch die neuentdeckte Asymmetrie knapp im Rahmen des Standardmodells. (Physical Review Letters, in press)

Quelle: CERN

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