Alternative zum Kondom: Es gibt neue Hoffnung auf eine Verhütungspille für den Mann. Forscher haben einen hormonellen Wirkstoff erprobt, der die Produktion des körpereigenen Testosterons in den Hoden hemmt und so die Spermienproduktion stören soll. Tests mit gesunden Männern zeigen: Das in Pillenform verabreichte Mittel wirkt offenbar wie gewünscht und hat nur wenige Nebenwirkungen. Es ist damit der zweite vielversprechende Wirkstoff, den das Team in Zukunft weiterentwickeln will.
Die hormonelle Verhütung ist traditionell Frauensache. Wollen die Herren der Schöpfung in diesem Bereich Verantwortung übernehmen, bleibt ihnen dagegen nur das Kondom oder als drastischer Schritt die Vasektomie. Um dies zu ändern, forschen Wissenschaftler weltweit an alternativen Verhütungsmitteln – bisher allerdings ohne durchschlagende Erfolge.
Doch Stephanie Page von der University of Washington in Seattle und ihre Kollegen haben die Hoffnung auf eine „Pille“ für den Mann neu entfacht. Sie testeten im vergangenen Jahr bereits den Wirkstoff Dimethandrolon-Undecanoat (DMAU) mit vielversprechenden Ergebnissen und haben nun ein weiteres potenzielles Verhütungsmittel erfolgreich erprobt.
Zweifache Wirkung
Bei dem neuen Wirkstoff handelt es sich um die Verbindung 11-Beta-Methyl-19-Nortestosteron-Dodekylcarbonat oder kurz 11-Beta-MNTDC – eine modifizierte Testosteronform, die die Wirkweise eines Androgens mit dem eines Progesterons vereint. Die orale Einnahme dieser Hormone soll unter anderem die körpereigene Testosteronproduktion in den Hoden zum Erliegen bringen und auf diese Weise die Spermienproduktion stören.
Wie gut dieses Pendant zur Verhütungspille für die Frau funktioniert, testeten die Forscher an 40 gesunden männlichen Studienteilnehmern. Zehn der Probanden erhielten für die sogenannte Phase-1-Studie ein Placebo, die restlichen 30 bekamen das 11-Beta-MNTDC in zwei unterschiedlichen Dosierungen verabreicht: 14 Männer schluckten eine Pille mit 200 Milligramm des Wirkstoffs, 16 erhielten die doppelte Dosis.
Testosteronspiegel sinkt
Die Männer nahmen das Verhütungsmittel über einen Zeitraum von 28 Tagen einmal täglich zusammen mit einer Mahlzeit ein. Wie würde sich dadurch ihr Hormonhaushalt verändern? Die Auswertung ergab: Bei allen Männern, die die echte Pille eingenommen hatten, sank die Konzentration des körpereigenen Testosterons deutlich – teilweise bis auf Werte, wie sie typisch für einen krankhaften Testosteronmangel sind.
Auch der Spiegel zweier weiterer, für die Spermienproduktion wichtigen Hormone war als Folge signifikant niedriger. Dies spricht für eine effektive Verhütungswirkung, wie die Wissenschaftler konstatieren. Anders als einige der zuvor gescheiterten hormonellen Verhütungsansätze für den Mann scheint das Mittel zudem kaum Nebenwirkungen zu haben. So berichteten die Probanden lediglich über harmlose Beschwerden wie Müdigkeit, Kopfschmerzen oder Akne.
In zehn Jahren erhältlich?
„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass diese Pille die Spermienproduktion reduzieren kann, während die Libido bei den Männern erhalten bleibt“, sagt Mitautorin Christina Wang vom Biomed Research Institute in Los Angeles. „11-Beta-MNTDC ahmt das körpereigene Testosteron im Körper nach, ist in den Hoden aber nicht konzentriert genug, um die Spermienproduktion zu unterstützen“, erklärt Page.
Zwar konnten die Forscher den tatsächlichen Effekt auf die Spermienproduktion nur bedingt untersuchen. Denn bis sich diese Wirkung deutlich zeigt, müssen die Hormone mindesten 60 bis 90 Tage lang eingenommen werden. Das Team ist aber zuversichtlich, den Nutzen des Mittels in künftigen Langzeitstudien zu bestätigen und bald den Sprung in die Praxis zu schaffen – sei es mit 11-Beta-MNTDC oder seinem Schwester-Wirkstoff DMAU.
„Wir arbeiten parallel an zwei oralen Verhütungsmitteln, um das Feld der Verhütungsmedizin voranzutreiben und den besten Wirkstoff zu finden“, sagt Page. „Sichere, hormonelle Verhütungsmittel für den Mann sollten in ungefähr zehn Jahren erhältlich sein“, so die Prognose ihres Teams. (The Endocrine Society, 2019; Meeting)
Quelle: The Endocrine Society