Von wegen verstrahlt: Einige nahe Erdzwillinge könnten lebensfreundlicher sein als bisher angenommen – darunter auch die Planeten um Proxima Centauri und TRAPPIST-1. Denn schon eine dünne Atmosphäre würde ausreichen, um die heftigen UV-Strahlenausbrüche ihrer Sterne abzuhalten, wie nun eine Simulation zeigt. Die Erdzwillinge hätten dadurch sogar eine geringere Strahlenbelastung als die frühe Erde, wie die Forscher berichten.
Ob Proxima Centauri b, Ross 128b oder die Erdzwillinge um den nahen Stern TRAPPIST-1: In unserer kosmischen Nachbarschaft gibt es gleich mehrere Planeten, auf denen es außerirdisches Leben geben könnte. Denn diese erdähnlichen Gesteinsplaneten kreisen in der habitablen Zone ihrer Sterne und bieten damit die klimatischen Voraussetzungen für flüssiges Wasser.
All diese Erdzwillinge umkreisen Rote Zwerge – kleinere, kühlerer Verwandte unserer Sonne. Drei Viertel aller Sterne in der solaren Nachbarschaft gehören zu diesem Spektraltyp.
Strahlenduschen für die Erdzwillinge
Das Problem jedoch: Die Roten Zwerge sind sehr aktiv und erleben regelmäßig starke Strahlenausbrüche. Unser Nachbarstern Proxima Centauri beispielsweise erzeugt pro Tag gut 60 schwache Flares und bis zu achtmal pro Jahr besonders heftige Ausbrüche. Sein Planet ist daher immer wieder starken Strahlenschüben ausgesetzt. „Proxima-b könnte 30-mal mehr Extrem-UV-Licht bekommen als die heutige Erde und 250-mal mehr Röntgenstrahlung“, erklären Jack O’Malley-James und seine Kollegin Lisa Kaltenegger von der Cornell University.
Deshalb galten die meisten nahen Erdzwillinge bisher als eher ungeeignet für die Entwicklung von Leben – die starke Strahlung tötet alles ab. Wie stark die Strahlenbelastung auf der Oberfläche von Proxima-b, Ross 128b und den vier lebensfreundlichsten Planeten um TRAPPIST-1 tatsächlich wäre, haben nun O’Malley-James und Kaltenegger untersucht. Dafür setzten sie die in einem astrophysikalischen Modell den UV-Strahlenduschen ihrer Sterne aus und testeten, wie gut verschiedene Atmosphären diese Strahlung abfangen.
Nicht schlimmer als auf der Ur-Erde
Das überraschende Ergebnis: Selbst wenn diese Erdzwillinge eine nur halb so dichte oder sogar zehnfach dünnere Atmosphäre als die heutige Erde besitzen, wirkt diese wie ein Schutzschild. „Die resultierende UV-Strahlung ist noch immer rund eine Größenordnung geringer als auf der frühen Erde – selbst bei einem Planeten um den aktivsten Stern in unserer Stichprobe, Proxima-b“, berichten die Forscher.
Hat die Gashülle der nahen Planeten dagegen eine ähnliche Dichte wie die Erdatmosphäre – rund ein Bar, sinkt die Strahlenbelastung an der Planetenoberfläche noch weiter ab. Sie läge dann sogar deutlich unter der UV-Dosis auf der frühen Erde. Dies wäre selbst bei einer Gashülle ohne Ozonschicht der Fall, wie die Wissenschaftler erklären. Das bedeutet: Auch wenn bisher unbekannt ist, was für eine Atmosphäre die nahen Erdzwillinge besitzen – sie könnte ausreichen, um potenzielles Lebens vor der Strahlung zu schützen.
Geschützt durch Wasser und Biostrategien
Hinzu kommt: Gibt es auf diesen Planeten Wasser, wäre das außerirdische Leben sogar noch besser geschützt. „Schon eine nur einen Zentimeter dünne Wasserschicht reicht aus, um die energiereichsten UV-Strahlen, das UV-C, um das Zehnfache und mehr abzuschwächen“, erklären die Forscher. Und auch in Felsspalten oder unter einer dünnen Schlammschicht wären Organismen weitgehend geschützt.
„Auch wenn wir nicht wissen, was für eine Art von Leben sich auf diesen fremden Welten entwickeln könnte – grundsätzlich wäre es nicht ausgeschlossen“, sagen O’Malley-James und Kaltenegger. Denn wie sie erklären, gibt es selbst auf der Erde Organismen, die sich an starke Strahlung angepasst haben. Zu ihnen gehören das Bakterium Deinococcus radiodurans, das Röntgen- und Gammastrahlung aushält, aber auch Bakterien-DNA, die sogar einen Weltraumflug überdauerte.
Lohnende Ziele für Lebenssuche
„Angesichts der Tatsache, dass die frühe Erde belebt war, sollte die UV-Belastung auch für Planeten um Rote Zwerge kein limitierender Faktor sein“, so O’Malley-James und Kaltenegger. „Wir sollten diese Planeten daher in unserer Suche nach außerirdischen Leben nicht ausklammern.“ Denn gerade unsere nächsten Nachbarn könnten besonders spannende Ziele für eine solche Suche sein. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2019; doi: 10.1093/mnras/stz724)
Quelle: Cornell University