Wissenschaftler haben eine Technologie für mikroskopische Aufnahmen im lebenden Organismus entwickelt. Ein miniaturisiertes Multiphotonen-Mikroskop, das künftig endoskopisch eingesetzt werden kann, regt körpereigene Moleküle zum Leuchten an und ermöglicht die Abbildung von Zellen und Gewebestrukturen ohne künstliche Kontrastmittel. Die Ergebnisse wurden im renommierten Fachjournal „Advanced Science“ veröffentlicht.
Zur Diagnose von Erkrankungen ist es häufig notwendig, Gewebeproben unter dem Mikroskop zu beurteilen. Dafür müssen diese Proben beispielsweise bei Darmspiegelungen entnommen und mit Kontrastmitteln versetzt werden, um die Gewebestrukturen gut gegeneinander abgrenzen zu können. Biotechnologen, Physiker und Mediziner der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) haben nun ein Verfahren entwickelt, das die Untersuchung des Darms und anderer Organe deutlich vereinfachen könnte:
Laser regt Moleküle zum Leuchten an
Sie haben die Technologie der Multiphotonen-Mikroskopie so weit miniaturisiert, dass sie endoskopisch eingesetzt werden kann. Ein Multiphotonen-Mikroskop sendet fokussierte Laserpulse sehr hoher Intensitäten für extrem kurze Zeiten aus“, erklärt Prof. Dr. Dr. Oliver Friedrich vom Lehrstuhl für Medizinische Biotechnologie. „Dabei interagieren zwei oder mehr Lichtteilchen gleichzeitig mit bestimmten körpereigenen Molekülen, die dadurch zum Leuchten gebracht werden können.“
Die Multiphotonen-Mikroskopie bietet entscheidende Vorteile gegenüber herkömmlichen Methoden: Für Darstellungen von Bindegewebsbestandteilen oder Zellen müssen keine künstlichen Kontrastmittel verabreicht werden, weil die von den Photonen angeregten körpereigenen Marker selbst leuchten. Ferner dringt der Multiphotonen-Laser tief in Zellen – beispielsweise der Darmwand – ein und liefert hochaufgelöste dreidimensionale Aufnahmen von lebendem Gewebe, während die konventionelle Koloskopie an der Darmoberfläche endet. Das Verfahren könnte Biopsien ergänzen oder in bestimmten Fällen sogar überflüssig machen.
Verpackt in einem transportablem Gerät
Multiphotonen-Mikroskope werden in der Medizin bereits eingesetzt, insbesondere an Hautoberflächen: Dermatologen beispielsweise nutzen sie für die Suche nach malignen Melanomen. Die Herausforderung für den Einsatz bei endoskopischen Untersuchungen ist die Größe der technischen Komponenten: Den FAU-Forschern ist es gelungen, die gesamte Mikroskop-Technologie einschließlich Femtosekundenlaser in einem kompakten, transportablen Gerät unterzubringen.
Das Objektiv findet in einer Kanüle mit einer Länge von 32 Millimetern und einem Durchmesser von 1,4 Millimetern Platz. Für die Variation der optischen Tiefenwirkung kann der Fokuspunkt elektrisch verstellt werden. An der Spitze der Nadel befindet sich ein Prisma, das einen Seitwärtsblick im Darm erlaubt – so können von derselben Position aus verschiedene Rotationsaufnahmen vom Gewebe gemacht werden.
In aktuellen Experimenten am Kleintier erfolgt die Übertragung des Laserlichts über ein starres System – für den Einsatz in einem flexiblen Endoskop muss noch einige Forschungsarbeit geleistet werden. „Für die Leitung der Laserpulse sind spezielle photonische Kristallfasern nötig“, sagt Friedrich. „Außerdem muss zusätzlich zum Objektiv die gesamte Scanning-Mechanik miniaturisiert werden, um sie in ein flexibles Endoskop integrieren zu können.“
Multiphotonen-Atlas der Organe und Pathologien
Die Multiphotonen-Mikroendoskopie ist nicht nur für Darmuntersuchungen interessant – sie kann grundsätzlich auch in anderen Bereichen des Körpers eingesetzt werden, etwa im Mund- und Rachenraum oder in der Blase. Ziel des neuen Verfahrens ist es, dass der Arzt direkt bei der Endoskopie erkennen kann, ob Organzellen und Wandbestandteile auf kleinsten Mikrometerskalen verändert sind.
Aufwändige Färbeverfahren und zeitraubende Biopsien könnten damit eingeschränkt werden. Unterstützt werden sollen die Mediziner dabei von einer Bilddatenbank, einer Art Multiphotonen-Atlas der Organe und verschiedener Krankheitsbilder – eine Vision, der sich das Team um Prof. Friedrich verschrieben hat.
Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg