Überraschende Entdeckung: Die dunklen Krusten von Wüstenlack und Karstoberflächen produzieren Strom aus Sonnenlicht – sie sind damit photoelektrische Generatoren. Bei Bestrahlung wandeln diese Mineralkrusten die Lichtenergie in elektrische Energie um, wie Forscher herausgefunden haben. Die Elektronenmenge reicht zwar nicht aus, um einen Stromschlag zu bekommen, könnte aber eine wichtige Rolle für biogeochemische Reaktionen auf unseren Planeten spielen, wie die Wissenschaftler berichten.
Die Sonne ist der wichtigste Energiespender unseres Planeten. Ihr Licht regt Atome an und setzt chemische Reaktionen in Gang, vor allem aber liefert es den Treibstoff für die Photosynthese. Erst dieses biologische System ermöglicht es Mikroorganismen und Pflanzen, Energie aus dem Sonnenlicht zu gewinnen und damit organische Biomasse zu bilden. Diese Umwandlung von solarer in chemische Energie bildet die Basis der irdischen Nahrungsketten.
Eine Frage war jedoch bisher offen: Gibt es neben diesen biologischen Systemen zur „Lichternte“ auch einen nichtbiologischen Gegenpart? Rein theoretisch könnte es bestimmte Minerale oder andere geochemische Verbindungen geben, die bei Bestrahlung mit Sonnenlicht die Energie für chemische Reaktionen liefern – beispielsweise indem sie Elektronen freisetzen. „Aber es wurden keine Belege für ein solches geologische Lichternte-System gefunden“, erklären Anhuai Lu von der Universität Peking und seine Kollegen.
Wüstenlack und Karstkrusten im Visier
Jetzt haben die Forscher diese geologischen „Lichtwandler“ entdeckt – sie erzeugen Strom aus dem Sonnenlicht. Das Verblüffende daran: Die Akteure dieser Energieumwandlung sind weder selten noch versteckt, sondern liegen offen vor aller Augen. Denn es handelt sich um die mineralischen Krusten und Überzüge, die viele Landschaften unseres Planeten prägen. Die Spanne reicht vom dunklen „Wüstenlack“ auf Felsen in Trockengebieten über rötliche Beschichtungen mancher Bodenpartikel bis zum grauen Überzug auf Karstgesteinen.
Der Clou dabei: Diese mineralischen Krusten sind oft besonders reich an Eisen und Mangan – so viel war bereits bekannt. „Der dunkle manganreiche Überzug findet sich meist auf der sonnenbeschienenen Seite der Felsen, die Unterseite besteht aus den Eisenverbindungen“, erklären die Forscher. Diese Mineralkrusten bestehen vorwiegend aus metallischen Oxyhydroxiden und Oxiden. Gerade Manganoxide jedoch haben sich in technischen Systemen als effiziente Katalysatoren für photochemische Reaktionen erwiesen.
Stromfluss bei Bestrahlung
Sollte dies bei den Mineralkrusten des Wüstenlacks und Karst genauso sein? Um das zu überprüfen, führten die Forscher einen einfachen Test durch: Sie legten bei Felsversuchen zwei Messelektronen aus Gold auf den Wüstenlack und bestrahlten entweder die manganreiche Schicht oder die eisenreiche Schicht mit Laserpulsen. Zum Vergleich führten sie die gleichen Messungen auch an freigekratzten Felsoberflächen ohne Wüstenlack durch.
Das verblüffende Ergebnis: Der Wüstenlack reagierte auf die Bestrahlung mit einer Freisetzung von Elektronen. Immer wenn das Licht an war, registrierten die Elektroden einen erhöhten Stromfluss. War der Laser aus, sank der Strom auf den Grundwert ab, wie die Forscher berichten. Ähnliches beobachteten sie auch bei Tests mit Karstüberzügen und der rötlichen Beschichtung bestimmter Bodentypen. Das Grundgestein dagegen erzeugte bei Bestrahlung keinerlei Stromflüsse.
„Der Photostrom zeigte dabei eine lineare Beziehung mit der Laserleistung – das demonstriert eine konstante Effizienz der Photon-zu-Elektron-Umsetzung“, so Lu und sein Team. Die Photoresponsivität lag für die eisenreichen Krusten bei zwei Millionstel Ampere pro Watt, bei manganreichen Krusten um das 1,7-Fache höher.
Natürliche photoelektrische Generatoren
„Damit verhalten sich diese Mineralüberzüge wie natürliche photoelektrische Generatoren“, konstatieren Lu und sein Team. Wüstenlack und Co können demnach das Sonnenlicht in elektrische Energie umwandeln. Den Messungen zufolge kann ein Quadratmeter Wüstenlack bei intensiver Sonnenbestrahlung im Schnitt 22,3 Billiarden lichtinduzierte Elektronen pro Sekunde freisetzen. „Diese Photoelektronen könnten damit eine wichtige Quelle extrazellulärer Energie für bestimmte Bakterien sein“, sagen die Forscher.
„Angesichts der riesigen Landflächen, die von diesen mineralischen Schichten bedeckt sind, ist ihre Produktion von Photoelektronen keineswegs vernachlässigbar“, betonen Lu und sein Team. „Die Reaktion dieser Mineralkrusten auf das Sonnenlicht könnte demnach eine wichtige Rolle für die biogeochemischen Prozesse der Erdoberfläche spielen.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2019: doi: 10.1073/pnas.1902473116)
Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences