Science-Fiction im Quantenmaßstab: Im Kinofilm „Dr. Strange“ kann der Held Millionen mögliche Zukunftsvarianten im Voraus überblicken. Ein neues Quantensystem kann dies nun ebenfalls – wenn auch zunächst nur für 16 Zukunftslinien gleichzeitig. Es nutzt den Zustand und die Ankunftszeit von Photonen, um die Lage einer Münze in einem mehrfach geschüttelten Kasten vorherzusagen. Der Clou dabei: Solche quantengestützten Vorhersagen könnten Simulationen und künstliche Intelligenzen deutlich leistungsfähiger machen.
Die Überlagerung ist eine der großen Eigenheiten der Quantenwelt – und damit auch von Quantencomputern. Denn solange ein Quantenbit nicht gemessen wird, ist es weder Null noch Eins, sondern beides gleichzeitig. Die Wahrscheinlichkeiten beider Zustände überlagern sich – ähnlich wie Schrödingers Katze in der berühmten Allegorie gleichzeitig tot und lebendig im Kasten hocken kann. Ein Quantencomputer kann dadurch viele mögliche Lösungen einer Aufgabe gleichzeitig darstellen und kalkulieren.
Überlagerte Zukunftslinien
Einen Schritt weiter sind nun Farzad Ghafari von der Griffith University in Brisbane und seine Kollegen gegangen. Denn sie haben eine Quantensimulator konstruiert, der die möglichen Zukunftslinien eines Systems durch Überlagerung vorwegnimmt. Welcher dieser Pfade ein Prozess folgt, ist jeweils von Ereignissen oder Aktionen in der Gegenwart abhängig – ähnlich einer Route, die sich mit jedem neuen Abbiegen wandelt.
Der Clou dabei: In der Quantenphysik lässt sich das Resultat dieses Abbiegens als eine Wellenfunktion mit bestimmter Wahrscheinlichkeit abbilden. Sobald ich mich für einen Abzweig entscheide, kollabieren die Wellenfunktionen aller Wegevarianten des anderen Abzweigs. Ein Quantencomputer kann dieses Prinzip nutzen, um mögliche Zukunftslinien zu überlagern. „Diese Überlagerung erlaubt es uns, statistische Zukünfte klassischer Prozesse mittels Quanteninterferenz zu vergleichen“, so die Forscher.
Wie fällt die Münze?
Konkret nutzten die Wissenschaftler ihren Quantensimulator, um den Ausgang eines klassischen Münzwurf-Experiments vorherzusagen. Dabei wird eine Münze in einem geschlossenen Kasten gelegt und der Kasten dann bei jedem Schritt einmal kurz geschüttelt. Jedes Schütteln kann die Münze auf ihre andere Seite umkippen lassen – oder auch nicht. Schüttelt man die Box vier Mal, gibt es daher theoretisch 16 Möglichkeiten für die Abfolge von Kopf oder Zahl.
Der Quantensimulator bildet den Zustand der Münze über die Polarisation und den Weg von Photonen ab, die durch ein System von Spiegeln und Filtern geleitet werden. „Das Prinzip geht auf eine Idee des Physikers Richard Feynman zurück“, erklärt Koautor Jayne Thompson von der Nationaluniversität Singapur. „Er erkannte, dass ein Teilchen, das sich von Punkt A nach Punkt B bewegt, nicht unbedingt einem einzigen Pfad folgt. Stattdessen durchläuft es simultan alle möglichen Routen zwischen beiden Punkten.“
Photonenzustand als Zukunfts-Vorhersage
Dieses Prinzip haben die Forscher nun erweitert, indem sie über diese Überlagerung der Photonenwege statistische Zukunftsvarianten kalkulieren. „Statt das klassische Resultat nach jedem Schritt zu messen, behält unser Quantenrechner das Photon und baut damit eine Überlagerung auf“, erklären die Forscher. Dadurch kann er die 16 Möglichkeiten des Münz-Experiments in einer Art 16-dimensionalem Quantenzustand-Raum abbilden.
Und tatsächlich: Der Quantensimulator schaffte es, die verschiedenen Möglichkeiten der Münzwürfe korrekt abzubilden. Im Unterschied zu einer normalen Simulation jedoch arbeitete er die Zukunftsvarianten dabei nicht nacheinander ab, sondern simultan. „Diese Technik benötigt daher für die Simulation solcher stochastischer Prozesse viel weniger Arbeitsspeicher“, sagen Ghafari und seine Kollegen.
Hilfreich für künstliche Intelligenzen
Diese Form der „Zukunftsvorhersage“ mittels Quantenüberlagerung könnte daher viele Vorausberechnungen schneller und einfacher machen. „Viele aktuellen KI-Algorithmen lernen beispielsweise, indem sie betrachten, wie kleine Änderungen ihres Verhaltens zu verschiedenen künftigen Resultaten führen können“, erklärt Ghafari. Die KI wählt dann die Aktion, die den gewünschten Ausgang bewirkt.
„Unsere Technologie könnte es solchen Systemen ermöglichen, die Effekte ihrer Handlungen viel effizienter zu ermitteln“, betonen die Forscher. „Denn die Quantenüberlagerung sieht für jede Aktion alle möglichen Zukünfte.“ Noch kann ihr Quantensimulator zwar nur 16 solcher Zukunftslinien gleichzeitig erfassen, doch der zugrundeliegende Algorithmus sei im Prinzip grenzenlos skalierbar, wie Ghafari und sein Team erklären. (Nature Communications, 2019; doi: 10.1038/s41467-019-08951-2)
Quelle: Griffith University