„Unmöglicher“ Effekt: Im Vakuum kann nichts schneller sein als das Licht – eigentlich. Doch eine Eigenheit der Quantentheorie könnte dies doch erlauben, wie nun Physiker ermittelt haben. Selbst im Vakuum des Alls würde dadurch Tscherenkow-Strahlung entstehen – eine Kielwelle aus von schnellen Teilchen überholten Photonen. Diese Vakuumlicht könnte erklären, woher der rätselhafte Überschuss an Gammastrahlung im Herzen der Milchstraße und anderer Galaxien kommt.
Das Vakuum des Alls gilt als Inbegriff der Leere – quasi als Grundzustand des Kosmos. Deshalb kann sich im Vakuum auch nichts schneller bewegen als das Licht, wie Einstein erkannte. Doch wenn man der Quantentheorie glauben darf, ist das Vakuum gar nicht leer. Denn nach dieser sorgen Quantenfluktuationen dafür, dass im Vakuum immer wieder virtuelle Teilchen entstehen. Diese Paare aus Teilchen und Antiteilchen tauchen auf, nur um sich Sekundenbruchteile später wieder auszulöschen.
„Überschallkegel“ aus Licht
Genau an diesem Punkt setzen nun Alexander Macleod und seine Kollegen von der University of Strathclyde in Glasgow an. Denn ihren Berechnungen zufolge erzeugen die Quantenfluktuationen des Vakuums auch einen messbaren Effekt – das sogenannte Tscherenkow-Licht. Diese energiereiche Strahlung entsteht normalerweise, wenn ein Medium das Licht abbremst und geladene Teilchen dadurch schneller fliegen können als das Licht.
Beobachten kann man diesen Lichteffekt beispielsweise im wassergefüllten Reaktorgefäß von Atomkraftwerken: Elektronen rasen dort so schnell durch das Wasser, dass das von angeregten Atomen abgegebene Licht nicht hinterherkommt. Es bildet eine Art Kielwelle – quasi einen Überschallkegel aus Licht. Auch beim Eintritt kosmischer Teilchen in die Erdatmosphäre oder die Tanks von Detektoren wird diese Form der Strahlung frei.
Magnetfelder als Lichtbremse
Das Entscheidende jedoch: Die Tscherenkow-Strahlung kann nur in Medien entstehen, die das Licht abbremsen – und gängiger Annahme nach ist dies beim Vakuum nicht der Fall. Doch wie Macleod und sein Team nun anhand eines physikalischen Modells belegen, gibt es Ausnahmen. Denn wenn die virtuellen Teilchen der Quantenfluktuationen einem starken Magnetfeld ausgesetzt werden, können auch sie Licht abbremsen.
„Das impliziert, dass energiereiche Partikel im All auch Tscherenkow-Strahlung freisetzen können, wenn sie durch starke elektromagnetische Felder fliegen“, erklären die Forscher. In ihren Berechnungen ermittelten sie, wie schnell ein Proton sein müsste und durch welche Feldstärken es fliegen müsste, damit im Vakuum Tscherenkow-Licht in Form von Gammastrahlung freiwird.
Im Umfeld von Pulsaren beobachtbar
Das Ergebnis: Im Umfeld der sogenannten Millisekunden-Pulsare – schnell rotierenden Neutronensternen mit starkem Magnetfeld – müssten die Bedingungen für dieses „Licht aus dem Nichts“ gegeben sein. „Für Protonen der energiereichsten kosmischen Strahlung wird dort die hochenergetische Abstrahlung vollständig vom Tscherenkow-Prozess dominiert“, erklären die Physiker. Tatsächlich haben Astronomen bereits einige Millisekunden-Pulsare entdeckt, die sich nur durch Gammastrahlung verraten – ein Teil davon könnte aus Tscherenkow-Licht bestehen.
„Die Astrophysik liefert uns damit Umgebungen, in denen der Vakuum-Tscherenkow-Effekt beobachtet werden könnte“, sagen Macleod und sein Team. „Denn dort haben wir die Präsenz von sehr energiereicher kosmischer Strahlung und starken Magnetfeldern.“ Eine gezielte Suche nach Gammastrahlen, die durch diesen Prozess erzeugt wurde, könnte demnach ihre Theorie belegen. Auch mithilfe von sehr starken Lasern könnte dieses Licht aus dem Vakuum erzeugt werden – aber bisher reichen die technischen Möglichkeiten dafür nicht aus, wie die Forscher feststellten.
Erklärung für das mysteriöse Gammaglühen?
Das Spannende daran: Der Vakuum-Tscherenkow-Effekt erklärt nicht nur, wie aus dem scheinbaren Nichts des Vakuums energiereiche Strahlung freiwerden kann. Er könnte auch eine Erklärung dafür liefern, woher das rätselhafte Gammaglühen im Herzen vieler Galaxien und auch der Milchstraße stammt. Denn bisher haben Astronomen für diesen Überschuss an Gammastrahlung keine eindeutige Erklärung – diskutiert werden Pulsare, aber auch sich auslöschende Dunkle Materie.
„Unsere theroretische Vorhersage ist sehr spannend, denn sie könnte Antworten auf einige grundlegende Fragen liefern – darunter auch nach dem Ursprung des Gammaglühens im Herzen von Galaxien“, sagt Macleods Kollege Dino Jaroszynski. „Gleichzeitig bietet er eine neue Möglichkeit, fundamentale Theorien an ihre Grenzen zu bringen und so zu testen.“ (Physical Review Letters, 2019; doi: 10.1103/PhysRevLett.122.161601)
Quelle: University of Strathclyde