Direkt nach meiner Promotion, also vor fast 20 Jahren, hatte ich Gelegenheit, an meiner ersten größeren Forschungstagung teilzunehmen, dem Treffen der American Geophysical Union in San Francisco. Noch aufregender als die Tagung erschien mir die Möglichkeit, im Anschluss ein paar Tage freizunehmen, um mit dem Mietauto den kalifornischen Westen zu erkunden.
In der Sierra Nevada
Nach stundenlanger Fahrt erreichte ich endlich die Sierra Nevada, deren Kern durch einen der ausgedehntesten und am besten zugänglichen Plutone der Erde gebildet wird. Die Granite dieses Plutons entstanden in einer ehemaligen Subduktionszone im Zeitraum zwischen Jura und Kreidezeit, also vor etwa 120 bis 90 Millionen Jahren, und gelangten im Laufe der Jahrmillionen durch Hebung und Abtragung an die Oberfläche.
Wahrscheinlich lag es an der Monotonie des Fahrens entlang schier endloser, in den Eiszeiten durch Gletscher glatt geschliffenen Granitflächen im und um den Yosemite-Nationalpark, aber in meiner Einbildung verwandelte sich mein treuer Dodge Stratus in eine Art gut isoliertes Unterseeboot, mit dem ich den unterirdischen Magmasee eines längst vergangenen Vulkankomplexes gewaltigen Ausmaßes erkundete.
Riesen-Magmablase oder vulkanisches „Rührei“?
Der Gedanke erschien mir faszinierend und gleichzeitig abenteuerlich abwegig: Kann es wirklich solche sich über Hunderte von Kilometern erstreckenden glutheißen Magmablasen geben, wie es die Ausdehnung der Sierra Nevada suggeriert? Ich hatte in meiner Dissertation vulkanische Eruptionen in den chilenischen Anden untersucht, ein Beispiel einer heute noch aktiven Subduktionszone.
Könnten die kalifornischen Plutone sozusagen das Gegenstück zu den großvolumigen Supereruptionen der Anden darstellen? Oder entstanden diese Plutone doch womöglich anders, nämlich aus vielen kleinen Magmaschüben, die sich nach und nach äußerlich ununterscheidbar miteinander vermengt haben, etwa so, wie ein Omelett aus mehreren Eiern hervorgegangen ist und nicht aus einem einzigen Superei?
Ein Dilemma
Beim Versuch, eine Beziehung zwischen Vulkanen an der Oberfläche und Plutonen in der Tiefe herzustellen, landet man schnell bei einem Dilemma: Die sich im Inneren einer Subduktionszone bildenden Magmen und Gesteine befinden sich bei aktiven Vulkanen in unerreichbarer Tiefe.
Dagegen sind bei heute an der Oberfläche anstehenden Plutonen ehemaliger Subduktionszonen die vormals aufliegenden vulkanischen Gesteine längst abgetragen.
Eine Lösung des Dilemmas liegt in den Gesteinen selbst verborgen, nämlich in Kristallen, die sich in der Tiefe gebildet haben und dann während einer vulkanischen Eruption an die Oberfläche transportiert wurden. Einem Kreuzverhör entsprechender analytischer Methoden unterzogen, können diese Kristalle Vorgänge bezeugen, die sich einst kilometertief unter einem Vulkan zugetragen haben.
Autor: Axel Schmitt, Institut für Geowissenschaften der Universität Heidelberg / Ruperto Carola