Astronomie

Milchstraße: Klumpen aus Dunkler Materie?

Lücken in einem Sternenstrom könnten durch ein "dunkles Objekt" verursacht worden sein

Sternenströme
Lücken in einem Sternenstrom der Milchstraße könnten durch einen gigantischen Klumpen aus Dunkler Materie verursacht worden sein. © NASA/JPL-Caltech/R. Hurt (SSC/Caltech)

Verdächtige Lücken: Die Dunkle Materie in der Milchstraße könnte klumpiger sein als bisher gedacht – darauf deuten zwei Lücken in einem Sternenstrom unserer Galaxie hin. Wie Astronomen feststellten, kommt kein bekanntes kosmisches Objekt als Verursacher dieser Lücken in Frage. Stattdessen könnte ein dichter Klumpen aus Dunkler Materie diese Störstellen im Sternenband hervorgerufen haben.

Es gibt viermal mehr Dunkle Materie als normale Materie im Kosmos – und trotzdem wissen wir so gut wie nichts über sie. Bisher ist weder ihre Verteilung im Detail bekannt, noch aus welchen Teilchen sie besteht. Klar scheint nur, dass die Dunkle Materie nahezu überall im Universum vorkommt – in unserer Milchstraße, in einer gewaltigen Brücke zwischen nahen Galaxien oder sogar als unsichtbarer Strom, der durch unser Sonnensystem strömt.

Doch wie genau die Dunkle Materie in der Milchstraße verteilt ist, ist bislang strittig. Denn weil diese Materieform nur durch die Schwerkraft mit normaler Materie wechselwirkt und unsichtbar ist, lässt sie sich nicht direkt nachweisen. Astronomen sind daher auf indirekte Indizien ihrer Präsenz und Verteilung angewiesen.

Dunkler Störer

Ein solches Indiz könnten nun Ana Bonaca vom Harvard Smithsonian Center for Astrophysics und ihr Team aufgespürt haben. Sie haben für ihre Studie die bisher umfassendste Karte der Sternenverteilung in der Milchstraße genutzt, den Datenkatalog des Gaia-Satelliten. Weil er neben der Position der Stern auch ihre Bewegung erfasst, können die Sternenströme innerhalb unserer Galaxie damit besonders gut identifiziert werden.

Der Clou daran: „Die Begegnung eines solchen Sternenstroms mit einem Klumpen aus Dunkler Materie müsste die geordnete Struktur des Sternenstroms stören“, erklären die Forscher. Der Schwerkrafteinfluss der Dunklen Materie müsste dann zu Lücken im Sternenstrom führen. Sollte die Dunkle Materie wie von Modellen vorhergesagt tatsächlich Klumpen in unserer Galaxie bilden, dann könnten sie sich durch diese Sternenlücken verraten.

GD-1
Lücken im Sternenstrom GD-1. © A. Bonaca/ Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, A. Price-Whelan/ Princeton University

Zwei Lücken im Sternenstrom

Und tatsächlich: Im längsten Sternenstrom des galaktischen Halo, GD-1 genannt, stießen die Astronomen auf gleich zwei verräterische Lücken. „Die Sternendichte im Strom ist nicht gleichförmig, sondern es gibt zwei signifikant weniger dichte Bereiche oder Lücken, die bei 40 und 20° liegen“, berichten Bonaca und ihr Team. Mithilfe eines Modells untersuchten sie dann, wodurch diese Lücken entstanden sein könnten.

Das Ergebnis: Die Lücken müssen durch den Schwerkrafteinfluss eines extrem massereichen Objekts von einer bis rund 100 Millionen Sonnenmassen erzeugt worden sein. Dieses Objekt muss dem Sternenstrom irgendwann in den letzten 500 Millionen Jahren bis auf rund 50 Lichtjahre nahegekommen sein. Aber um was für ein Objekt handelt es sich? „Orbitale Rekonstruktionen zeigen, dass diese Störung des Stroms durch keinen der bekannten Sternenhaufen oder Zwerggalaxien verursacht worden sein kann“, so die Astronomen. Auch eine molekulare Wolke aus der Milchstraßenebene könne nicht der Grund für diese Lücken sein.

Ein Klumpen aus Dunkler Materie

Nach Ansicht der Forscher bleibt damit nur eine Erklärung: „Nachdem wir alle bekannten Objekte ausgeschlossen haben, halten wir ein dunkles Objekt für den wahrscheinlichsten Störer des GD-1 Stroms“ so Bonaca und ihr Team. Theoretisch könnte es sich dabei um ein primordiales Schwarzes Loch handeln, was aber ein extrem seltenes Ereignis wäre.

Für wahrscheinlicher halten die Forscher daher einen Klumpen Dunkler Materie in Form eines Subhalos. Diese Subhalos entstehen gängigen Modellen nach, wenn eine Zwerggalaxie von der Milchstraße geschluckt und zerrissen wird. Ihr mit Dunkler Materie angereicherter Halo kann dann in Form eines „Klumpens“ aus Dunkler Materie erhalten bleiben.

Zu dicht für gängige Modelle

Rätselhaft jedoch: Den Modellen der Kalten Dunklen Materie nach müssten Subhalos im Massenbereich des Sternenstrom-Störers deutlich weniger dicht sein als das jetzt identifizierte Störobjekt. „Die Massenbeziehung für einen eine Million Sonnenmassen schweren Halo aus Dunkler Materie besagt, dass dieser eine Radius von rund 160 Lichtjahren haben müsste“, so die Forscher. „Der von uns ermittelte Störer von GD-1 aber hat einen Radius von nur rund 65 Lichtjahren.“

Damit ist das dunkle Störobjekt deutlich dichter als es gängige Modelle für Dunkle-Materie-Subhalos vorsehen. Dennoch halten die Astronomen einen solchen Klumpen aus Dunkler Materie für die wahrscheinlichste Erklärung. Sie sind bereits dabei, die mögliche Bahn und aktuelle Position dieses dunklen Klumpens genauer zu bestimmen.

Die Astronomen hoffen zudem, auch in anderen Sternenströmen der Milchstraße Hinweise auf solche dunklen Störer zu finden. „Die jetzt identifizierten Lücken demonstrieren, dass kalte Sternenströme extrem sensible Detektoren sind“, so die Forscher. Sie könnte daher dabei helfen, die Struktur der Dunklen Materie in unserer Milchstraße aufzuklären. (APS Meeting 2019)

Quelle: American Physical Society (APS)

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