Anthropogeographie

Zurück in die Antike

Eine Römerstraße als europäische Verbindungsachse

Eine Verkehrsachse quer durch Europa, ein Weg, der Länder und Menschen verbindet – und das seit über 2.000 Jahren. Die Via Claudia Augusta bildet eine seit der Antike bestehende Brücke zwischen Italien und Mitteleuropa, zwischen den jeweils größten Strömen. Kaiser Claudius, vierter römischer Kaiser, ließ die von seinem Vater Drusus begonnene Straße zwischen dem Po und der Donau erweitern und begradigen.

Via Claudia Augusta
Dieser Damm der römischen Via Claudia Augusta tritt im bayrischen Forggensee bei Niedrigwasser zutage. Catullus © CC-by-sa 3.0

Meisterwerk der römischen Ingenieurskunst

Entstanden ist Meisterwerk der römischen Ingenieurskunst. Meilensteine belegen die Wegstrecke zwischen Altinum, einer antiken Stadt in der Provinz Venezien, über den Reschenpass durch Tirol und weiter zur Donau, mit einer Gesamtlänge von 350 Meilen. Gerald Grabherr, Archäologe der Universität Innsbruck, beschäftigt sich bereits seit Jahren mit der Via Claudia Augusta, deren Name als einziger Straßenname aus dieser Zeit im Alpenraum überliefert ist.

„Die damals hohe Qualität des Straßenbaus wird heute auch dadurch deutlich, dass ein entsprechendes Ausbauniveau des Landverkehrs wie in der Antike, erst wieder in Frankreich unter Ludwig XIV. oder in Österreich unter Maria Theresia im 18. Jahrhundert erreicht werden konnte“, sagt Grabherr. Die römischen Straßenbauer passten sich dem Verlauf der Täler an, vermieden Kehren über die Pässe, um die Zugtiere mit einer gleichmäßigen Belastung zu schonen, schlugen Straßen aus Felsen, bauten Befestigungen und schufen Innovationen.

Quer durch Europa

„Wir sprechen hier von der wichtigsten Verkehrsverbindung in einem Bereich, in dem man auf Flüssen nicht mehr weiterkommt – über die Alpen. Obwohl der Transport über Land und vor allem über die Alpenpässe am aufwendigsten und teuersten war, mussten die Menschen auf diesen Weg ausweichen, denn Gebirgsflüsse sind nicht sinnvoll schiffbar“, erläutert der Wissenschaftler die damals bestehende Notwendigkeit für die Römer, eine Straße über die Pässe anzulegen.

Entlang der Via Claudia Augusta bewegten sich Menschen, wurde Fracht transportiert, Lebensmittel ausgetauscht, Material und Kulturgut transferiert sowie Sprachen und Religionen verbreitet. „Wie an allen Kontaktlinien und Handelsrouten sind die Menschen viel offener gegenüber Neuem und Fremdem“, verdeutlicht Grabherr die Bedeutung der Via Claudia Augusta. „Der ständige Austausch, die Konfrontation und die Kommunikation entlang dieser Achse führten Menschen zusammen. Lieben und Freundschaften wurden geschlossen und die Möglichkeiten von Geldeinnahmen erleichterte das Leben der Menschen vor Ort.“

Erbe der Römer – die Via Claudia Augusta© Via Claudia Augusta Transnational

Austausch von Ideen, Religionen und Normen

Doch nicht nur Handel wurde in der Antike auf der Straße betrieben. Auch Ideen und neue Religionen verbreiteten sich entlang der Kommunikationsroute. „Wir dürfen nicht vergessen, dass sich auch das Christentum über solche Wege verbreitet hat. Die einheitliche Kirchensprache Latein machte es den Priestern vor allem in der weiteren Geschichte im Mittelalter und der Neuzeit möglich, ihre Messen weltweit zu halten und dabei verstanden zu werden, denn das Erlernen der Universalsprache war damals verpflichtend“, so der Archäologe, der in Grabungen viele multinationale Artefakte finden konnte.

Kilometerstein
Replik eines römischen Kilometersteins an der Via Claudia Augusta bei Unterdiessen in Bayern. © gemeinfrei

Als Vorgänger des vereinten Europas ist das Römische Reich für uns auch heute noch bedeutend. „Die Grundlage unserer westlichen Kultur liegt im Römischen Reich. Neben dem kodifizierten Recht, als Grundlage vieler Rechtssysteme in den europäischen Ländern, wurden erstmals einheitliche Maße, Gewichte und Geld verwendet. Dies war eine maßgebliche Erleichterung für den Handel“, erläutert der Wissenschaftler. Gut ausgebaute Verkehrsachsen wie etwa die Via Claudia Augusta waren dabei wesentlich für die Verbreitung dieser Vorschriften.

Auch heute hat die Via Claudia Augusta ihre Bedeutung nicht verloren. Als gut ausgebauter Rad- und Wanderweg ist sie auch im 21. Jahrhundert noch eine bedeutende Verbindung zwischen Ländern, Menschen, Kulturen, Reisenden und wird auch weiterhin die Wissenschaften beschäftigen.

Quelle: Universität Innsbruck

  1. zurück
  2. 1
  3. |
  4. 2
  5. |
  6. 3
  7. |
  8. 4
  9. |
  10. 5
  11. |
  12. weiter
Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Europas Wurzeln
Auf der Suche nach dem Ursprung der europäischen Idee

Zurück in die Antike
Eine Römerstraße als europäische Verbindungsachse

Alte Wurzeln
Wie die Idee von Europa begann

Definitionssache
Was ist eigentlich Europa?

Interview: Europäisch sein
Was macht die europäische Identität aus?

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

keine News verknüpft

Dossiers zum Thema

Neue Kartenwelten - Eine neue Projektion macht den Menschen und seinen Einfluss zur Basis der Kartografie