Physik

Neuer Temperaturrekord für Supraleiter

Verlustfreie Stromleitung bei minus 23 Grad lässt Raumtemperatur-Supraleiter näherrücken

Supraleiter
Eine winzige Probe von Lanthanhydrid wird unter Hochdruck schon bei minus 23 Grad Celsius supraleitend – ein neuer Rekord. © Drozdov et al/ University of Chicago

Wichtiger Schritt zur Supraleitung bei Raumtemperatur: Forscher haben erstmals ein Material entdeckt, das schon bei minus 23 Grad verlustfrei Strom leiten kann – ein neuer Temperaturrekord. Der Höchstwert für bisherige Hochtemperatur-Supraleiter lag um 50 Grad niedriger. Das jetzt getestete Lanthanhydrid könnte ein Vertreter von Materialien sein, die vielleicht sogar bei Raumtemperatur supraleitend werden, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.

Ob Graphen, Kupferverbindungen wie die Cuprate oder einige Metallhydride: Einige Materialien können Strom nahezu widerstandsfrei leiten – sie sind Supraleiter. Nachdem diese exotische Eigenschaft zunächst nur bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt bekannt waren, haben Forscher inzwischen Hochtemperatur-Supraleiter entdeckt, die sogar schon bei „nur“ minus 70 Grad widerstandsfrei werden, wie der Schwefelwasserstoff.

Doch für die praktische Nutzung sind die für die bisherigen Supraleiter nötigen Tieftemperaturen eine große Hürde. Zwar existieren schon erste Versuche mit Supraleiter-Kabeln in städtischen Stromnetzen, die Notwendigkeit der Kühlung macht solche Ansätze aber extrem aufwändig und teuer.

Lanthanhydrid
Struktur des supraleitenden Lanthanhydrids. © Drozdov et al

Lanthan im Wasserstoffkäfig

Jetzt macht ein experimenteller Durchbruch Hoffnung: Forscher um Mikhael Eremets vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz haben nun ein Material entdeckt, das sogar noch weniger heruntergekühlt werden muss als der bisherige Rekordhalter Schwefelwasserstoff. Ausgehend von ihren Erfahrungen mit diesem Material, haben sie nun ein weiteres Metallhydrid unter Hochdruck auf seine Supraleitung getestet: Lanthanhydrid (LaH3).

„Solche Hydride besitzen eine Clathrat-ähnliche Struktur, in der das Wirtsatom – Calcium, Yttrium oder Lanthan – im Zentrum eines Käfigs aus Wasserstoffatomen sitzt“, erklären die Forscher. Unter hohem Druck können diese „Käfige“ eine Struktur ausbilden, die die Supraleitung möglich macht – so jedenfalls die Theorie.

Übergang schon bei minus 23 Grad

Im Experiment spannten die Forscher eine Probe des Lanthanhydrids in einer Wasserstoffatmosphäre in eine Diamantstempel-Presse ein und setzten sie unter allmählich steigenden Druck. Dadurch veränderte sich die Bindungsstruktur des Materials und es bildete sich bei rund 170 Gigapascal – einem Druck mehr als eine Million Mal höher als in der Erdatmosphäre – das besonders wasserstoffreiche Lanthanhydrid LaH10.

Das Entscheidende jedoch: Bereits bei 250 Kelvin – etwa minus 23 Grad Celsius – zeigte das Material einen ersten Übergang zum supraleitenden Zustand: Es verlor seinen Widerstand gegenüber der Elektronenleitung und die kritische Temperaturschwelle dafür ließ sich durch externer Magnetfelder beeinflussen – beide Merkmale gelten als charakteristische Anzeichen für die Supraleitung. Ein drittes Merkmal, die Verdrängung eines Magnetfelds aus ihrem Inneren, konnten die Forscher nur wegen der geringen Größe der Probe noch nicht nachweisen.

Raumtemperatur-Supraleiter rücken näher

„Unseres Wissens nach ist dies die höchste kritische Temperatur, die je in einem supraleitenden Material berichtet worden ist“, konstatieren Eremets und sein Team. „Damit ist unsere Studie ein weiterer Schritt hin zu einer Supraleitung bei Raumtemperatur.“ Nach Ansicht der Forscher könnten Yttrium-Superhydride, aber auch bestimmte Kohlenstoffverbindungen vielversprechenden Kandidaten für solche Supraleiter mit noch höheren kritischen Temperaturen sein.

Die Wissenschaftler arbeiten zudem schon daran, den nötigen Druck für die Erzeugung dieser Superhydride zu verringern. „Unser nächstes Ziel ist es, Proben zu erzeugen, die zwar bei hohem Druck synthetisiert werden, aber dann selbst bei normalem Druck noch supraleitend bleiben“, erklärt Koautor Vitali Prakapenka von der University of Chicago. (Nature, 2019; doi: 10.1038/s41586-019-1201-8)

Quelle: Nature, University of Chicago

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