Erst langfristig wirksam: Elektroautos können die Klimabilanz des Straßenverkehrs kurzfristig kaum positiv beeinflussen. Dies legt nun eine Studie am Beispiel von Großbritannien nahe. Demnach steht zum einen die nur langsame Veränderung der Fahrzeugflotte schnelleren Effekten im Weg. Zum anderen spielt auch der bisher noch ungünstige Energiemix eine Rolle. Erst ab 2040 werden die Stromer die CO2-Emissionen im Verkehrssektor deutlich senken, so die Prognose der Forscher.
Sie sind leise, stinken nicht und stoßen vor allem keine klimaschädlichen Abgase aus: Elektroautos gelten gemeinhin als vielversprechende Lösung für den Klimaschutz. „Studien zeigen, dass E-Autos einen erheblichen Beitrag zu Reduzierung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor leisten können“, erklären Graeme Hill von der Newcastle University und seine Kollegen. Doch wie groß ist dieser Beitrag und wie schnell wird er zum Tragen kommen?
Klimabilanz im Blick
Um diese Frage beantworten zu können, reicht ein Blick auf die Emissionen beim Fahren allein nicht aus. Denn elektrisch angetriebene Fahrzeuge stoßen zwar im Betrieb keine Emissionen von Kohlendioxid oder anderen Treibhausgasen aus. Ihre Klimabilanz hängt aber auch davon ab, mit welchem Strom sie geladen werden und wie viele Emissionen bei ihrer Herstellung entstehen. Nicht zuletzt ist darüber hinaus ein weiterer Faktor entscheidend: Wie viele Stromer sind überhaupt auf den Straßen unterwegs?
Genau diese Faktoren haben die Wissenschaftler um Hill nun für ihre Prognose zum Potenzial der Elektroautos in Großbritannien unter die Lupe genommen. Mithilfe von Modellberechnungen unter unterschiedlichen Szenarien analysierten sie dabei, inwiefern sich die von der britischen Regierung gesteckten Klimaschutzziele im Verkehrssektor mithilfe der E-Autos realisieren lassen.
Kurzfristig kaum ein Effekt
Das Ergebnis: Bis 2030 werden Elektroautos wahrscheinlich kaum einen Einfluss auf die CO2-Emissionen in diesem Bereich haben. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe, wie das Forscherteam berichtet. Zum einen verändert sich die Zusammensetzung der Fahrzeugflotte auf den Straßen nur nach und nach zugunsten elektrisch angetriebener Autos. Zum anderen spielt auch der Strom-Mix eine Rolle.
So entstehen bei der Herstellung eines Elektroautos derzeit noch rund 60 Prozent mehr CO2-Emissionen als bei der Produktion des Klassikers mit Verbrennungsmotor, wie die Studie ergab. Ursache ist die energieaufwändige Produktion der Batteriezellen. Und auch auf der Straße trägt der Anteil fossiler Energieträger an der Stromerzeugung dazu bei, dass die Stromer zunächst kaum zu einer Drosselung des verkehrsbedingten CO2-Ausstoßes beitragen.
Ab 2040 steigt der Nutzen
Nichtsdestotrotz dürften die CO2-Emissionen im britischen Verkehrssektor bis 2030 insgesamt um 20 Prozent sinken. Den Prognosen zufolge liegt dies jedoch vor allem daran, dass immer mehr Autos mit vergleichsweise klimafreundlichen Verbrennungsmotoren auf die Straße kommen. „Nach 2030 wird die Zahl der Elektroautos und ihr Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen mit der weiteren Dekarbonisierung des Stromsektors jedoch substanziell steigen“, berichten die Wissenschaftler.
Bis 2040 können die CO2-Emissionen durch die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte demnach immerhin um zehn Prozent gesenkt werden. Nach 2040 werden die E-Autos die Klimabilanz dann deutlich verbessern, sofern Betrieb und Herstellung weitgehend mit Grünstrom laufen. In diesem Fall gewinnen die Stromer dann auch den direkten Vergleich mit effizienten Verbrennungsmotoren deutlich.
Übertragbar auf Deutschland
„Insgesamt zeigen unsere Ergebnisse, dass Elektroautos gemeinsam mit einer konsequenten Energiewende zwar langfristig der beste Weg sind, um eine Dekarbonisierung des Verkehrssektors zu erreichen. Kurzfristig zeigen sie jedoch kaum Wirkung“, fasst das Forscherteam zusammen. Dieser nun für Großbritannien festgestellte Zusammenhang lässt sich auch auf Deutschland übertragen – bei uns stehen die Chancen für schnelle Effekte durch die E-Mobilität sogar noch schlechter.
Denn zwei Bedingungen sind in Großbritannien besser als in der Bundesrepublik: Erstens hat die britische Regierung bereits entschieden, die Neuzulassung konventioneller Benziner und Diesel ab 2040 zu verbieten. Zweitens ist der Anteil fossiler Energieträger an der Stromerzeugung auf der Insel etwas niedriger als bei uns.
Weitere Maßnahmen nötig
Um eine möglichst schnelle Drosselung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor zu erzielen, raten Hill und seine Kollegen zum einen dazu, die Anschaffung klimafreundlicher Autos noch stärker zu fördern, etwa durch Steuervorteile.
Für kurzfristige Effekte seien jedoch weitere Maßnahmen nötig – zum Beispiel Anreize, das Auto häufiger stehen zu lassen und stattdessen auf Bahn, Bus oder Fahrrad umzusteigen. „Solche Lösungen führen zu einem Multiplikatoreffekt, der unabhängig von künftigen technologischen Fortschritten ist“, so das Fazit des Teams. (Applied Energy, 2019; doi: 10.1016/j.apenergy.2019.04.107)
Quelle: Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC)