Umwelt

Wie viel Mikroplastik steckt in uns?

Pro Jahr gelangen zehntausende Kunststoffteilchen in unseren Körper

Mikroplastik
Mikroplastik aus PET-Flaschen und anderen Kunstoffen findet sich längst auch in unserem Körper. © Sami Sert, Anne Cordon/ iStock.com

Auch wir sind kontaminiert: Jeder Mensch nimmt täglich mehr als hundert Mikroplastikpartikel auf, wie eine Studie offenbart. Allein über die Luft und Nahrungsmittel wie Fisch, Meeresfrüchte oder Honig gelangen demnach pro Jahr zwischen 70.000 und 120.000 Kunststoffteilchen in unseren Körper. Durch Tafelwasser kommen noch einmal bis zu 90.000 Partikel hinzu. Wichtige Lebensmittelgruppen wie Fleisch und Gemüse sind da noch nicht mit eingerechnet. Was diese enorme Belastung für unsere Gesundheit bedeutet, ist noch völlig unklar.

Mikroplastik findet sich inzwischen praktisch überall: Winzige Kunststoffteilchen schwimmen in Seen, Flüssen und Meeren, reichern sich im Boden an und schwirren in der Luft herum. Sogar in Fischen, Honig, Salz und Getränken ist das Plastik bereits nachweisbar. Es scheint daher nicht verwunderlich, dass auch wir Menschen kontaminiert sind. Forscher haben das Mikroplastik erst kürzlich in unserem Darm und in unserem Kot nachgewiesen.

Mikroplastik
Beim Atmen, Essen und Trinken nehmen wir täglich solche kleinen Kunststoffpartikel auf. © Monique Raap/ University of Victoria

Aus der Luft und über die Nahrung

Der von uns produzierte Plastikmüll gelangt über die Nahrungskette, aber auch beim Atmen wieder zurück zu uns. Doch wie viel Plastikpartikel nehmen wir dabei auf? „Trotz der gesundheitlichen Probleme, die möglicherweise durch die Aufnahme und Inhalation von Mikroplastik entstehen, wurde das Ausmaß der menschlichen Belastung bisher noch nicht genauer erforscht“, erklären Kieran Cox von der University of Victoria in Kanada und seine Kollegen.

Genau das haben die Wissenschaftler nun geändert: Sie haben am Beispiel der USA untersucht, wie viel Plastik eine Person im Durchschnitt pro Jahr konsumiert. Um das herauszufinden, wertete das Forscherteam zunächst 26 Studien zur Mikroplastikbelastung der Luft und von Nahrungsmitteln aus. Konkret betrachteten sie dabei Fisch, Meeresfrüchte, Honig, Zucker und Salz sowie Alkohol, Mineral- und Leitungswasser.

Zehntausende Plastikteilchen

Diese Daten kombinierten Cox und seine Kollegen dann mit offiziellen Ernährungsempfehlungen und – falls verfügbar – Informationen zu den tatsächlich konsumierten Mengen der jeweiligen Lebensmittel. Die Aufnahme von Kunststoffteilchen aus der Luft schätzten sie anhand der durchschnittlichen Atmungsrate ab.

Die Auswertungen enthüllten: Je nach Alter und Geschlecht nehmen Erwachsene und Kinder in den USA zwischen 74.000 und 121.000 Mikroplastikpartikel im Jahr auf. Ein Großteil dieser Belastung geht dabei auf die Luftverschmutzung sowie den Konsum von Fisch und Meeresfrüchten zurück. Menschen, die ihren kompletten Trinkwasserbedarf mit Wasser aus Flaschen decken, sind zudem besonders stark kontaminiert: Sie könnten zusätzlich noch einmal rund 90.000 Plastikteilchen mehr aufnehmen, wie die Forscher herausfanden.

Noch deutlich unterschätzt

Die Vorstellung von so viel Mikroplastik in unserem Körper mag erschreckend sein. Doch in der Realität gelangen vermutlich noch weitaus mehr Partikel in unseren Organismus. Der Grund: Wichtige Gruppen von Lebensmitteln wie Fleisch, Getreide und Gemüse sind in die aktuellen Berechnungen gar nicht mit eingeflossen, weil es noch keine Daten zu ihrem Mikroplastikgehalt gibt.

Insgesamt deckt die Untersuchung den Schätzungen der Wissenschaftler zufolge nur 15 Prozent der täglichen Kalorienzufuhr eines Durchschnittsamerikaners ab. Hinzu kommt: „Auch die große Zahl von Partikeln, die sich wahrscheinlich beim Essen auf unseren Tellern niederlassen, betrachtet unsere Studie nicht – ebenso wenig wie das zusätzliche Plastik, das durch den Zubereitungsprozess in die Nahrung gelangen kann“, betonen sie.

Gesundheitliche Folgen?

Die nun präsentieren Zahlen stellen also aller Wahrscheinlichkeit nach eine drastische Unterschätzung dar. Cox und seine Kollegen plädieren aus diesem Grund zu weiteren Forschungsarbeiten, um künftig eine bessere Bewertung unserer tatsächlichen Belastung zu ermöglichen. „Neue Daten könnten dann auch dabei helfen, das potenzielle Risiko für den Menschen abzuschätzen“, erklären sie.

Zwar ist bis heute unklar, was Mikroplastik in unserem Körper genau verursacht. Experten befürchten jedoch, dass die winzigen Partikel in unsere Gewebe eindringen und dort Immunreaktionen auslösen oder giftige Substanzen freisetzen könnten. „Wenn man in diesem Zusammenhang dem Vorsorgeprinzip folgen würde, wäre die wohl effektivste Lösung, die Produktion und den Gebrauch von Plastik zu reduzieren“, so das Fazit des Teams. (Environmental Science & Technology, 2019; doi: 10.1021/acs.est.9b01517)

Quelle: American Chemical Society

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