Irrtum statt „unmöglicher“ Sensation: Die Galaxie NGC1052-DF2 gilt als Galaxie ohne Dunkle Materie – und widerspricht damit gängiger Theorie. Jetzt jedoch enthüllt eine Überprüfung: Die Entfernung der Galaxie war falsch berechnet – und deshalb war auch die Massenbestimmung falsch. Die vermeintlich „unmögliche“ Galaxie DF2 erweist sich dadurch als ganz normale Sternenansammlung mit reichlich Dunkler Materie, wie die Astronomen berichten.
Es war eine Sensation: Im März 2018 berichteten Astronomen um Pieter van Dokkum über die erste Entdeckung einer Galaxie ganz ohne Dunkle Materie. Demnach entsprach die Sternenmasse der rund 65 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie NGC1052-DF2 in etwa ihrer Gesamtmasse – für die Dunkle Materie blieb demnach kein Raum. Das aber widerspricht allen astronomischen Modellen. Denn nach geltender Lehrmeinung ist die Dunkle Materie der Kitt, der das Gas und die Sterne von Galaxien zusammenhält und ihre Rotation prägt.
Die Entfernung ist entscheidend
„Wenn diese Entdeckung bestätigt wird, wäre das eine der wichtigsten Entdeckungen der extragalaktischen Astrophysik seit Jahrzehnten“, konstatieren Ignacio Trujillo vom Astrophysikalischen Institut der Kanaren und seine Kollegen. Zudem ist die Galaxie doppelt ungewöhnlich: Ihr fehlt nicht nur die Dunkle Materie, sondern sie weist auch eine Population von ungewöhnlich hellen und langsamen Kugelsternhaufen auf, wie damals festgestellt wurde.
Allerdings gibt es einen Haken: Alle Rückschlüsse auf die Masse der Galaxie und die Helligkeit ihrer Sternhaufen beruhen auf der Annahme, dass diese Galaxie tatsächlich 65 Millionen Lichtjahre entfernt liegt, wie Trujillo erklärt. „Würde sie stattdessen näher liegen, wäre ihre stellare Masse signifikant geringer. Dann wären ihre Merkmale die einer ganz gewöhnlichen Galaxie.“
Um ein Drittel verschätzt
Die entscheidende Frage ist daher, wie akkurat die Astronomen die Entfernung von DF2 bestimmt haben. Um das zu klären, haben nun Trujillo und sein Team erneut untersucht, wie weit die Galaxie NGC1052-DF2 von uns entfernt liegt. Dafür nutzten sie fünf verschiedene, voneinander unabhängige Indikatoren, darunter das Verhältnis von Lichtfarbe und Helligkeit, interne Helligkeitsschwankungen, den spektralen Vergleich mit einer sehr ähnlichen Nachbargalaxie sowie die Größe und Helligkeit der Kugelsternhaufen in der Nachbarschaft von DF2.
Das überraschende Ergebnis: Die zuvor angenommene Entfernung ist falsch. „Alle fünf unterschiedlichen Entfernungsindikatoren ergeben einen Wert von rund 42 Millionen Lichtjahren“, berichten die Forscher. Damit liegt die Galaxie DF2 mehr als 20 Millionen Lichtjahre näher an der Erde als zuvor gedacht – und das hat entscheidende Folgen für die Einschätzung ihrer Merkmale.
Reichlich Dunkle Materie
Das Entscheidende: Wenn die Galaxie DF2 uns näher ist als angenommen, verändert dies auch die Schätzwerte für ihre stellare Masse – den Massenanteil, den sichtbare Materie wie Sterne und leuchtende Gase ausmachen. Denn ihre Masse wird auf Basis der Helligkeit in Bezug zur Entfernung geschätzt. Als Trujillo und sein Team nun diese Berechnung mit den neuen Entfernungswerten wiederholten, war das Ergebnis eindeutig:
„Wir stellen fest, dass dieser Galaxie keineswegs die Dunkle Materie fehlt“, berichten die Astronomen. Denn die stellare Masse von DF2 beträgt nur ein Viertel des zuvor angenommenen, die Gesamtmasse der Galaxie verringert sich dagegen nur um die Hälfte. Demnach ist auch diese Galaxie von Dunkler Materie dominiert – wie unsere Milchstraße und viele andere Sternenansammlungen auch.
„Nur eine ganz gewöhnliche Galaxie“
„Damit ist NGC1052-DF2 nur eine ziemlich gewöhnliche Galaxie mit geringer Helligkeit“, konstatieren Trujillo und sein Team. „Mit den revidierten Entfernungswerten verschwinden alle Anomalien der Galaxie und ihrer Kugelsternhaufen.“ Nach Ansicht der Astronomen unterstreichen ihre Ergebnisse, wie wichtig die korrekte Entfernungsmessung für die Erforschung astronomischer Phänomene ist. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2019; doi: 10.1093/mnras/stz771)
Quelle: Instituto de Astrofísica de Canarias (IAC)