Geowissen

Erdrotation erzeugt Strömung im Gardasee

Beleg für den Einfluss der Corioliskraft auf Umwälzströmungen in kleineren Seen

Gardasee
Für die Strömungen im langen, schmalen Gardaseewerden spielt die Corioliskraft eine entscheidende Rolle. © Hans Hagenaars / CC-by-sa 3.0

Überraschende Entdeckung: Die Erdrotation beeinflusst nicht nur Strömungen im Ozean, sondern wirkt selbst in relativ kleinen Seen wie dem Gardasee in Italien, wie nun eine Studie enthüllt. Demnach verursacht die ablenkende Wirkung der Erddrehung – die Corioliskraft – bei bestimmten Windrichtungen eine Umwälzströmung in diesem schmalen, aber tiefen See. Dieser für die Seeökologie wesentliche Prozess könnte auch bei anderen Seen dieser Art eine bisher unterschätzte Rolle spielen, so die Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“.

Die Corioliskraft ist für das Erdklima und die Ozeane prägend. Denn diese ablenkende Wirkung der Erdrotation lenkt Winde und Wasserströmungen auf der Nordhalbkugel nach rechts ab, auf der Südhalbkugel nach links. Die Corioliskraft bestimmt dadurch beispielsweise, in welche Richtung sich Sturmtiefs drehen und beeinflusst den Verlauf von Meeresströmungen und die Drift von Eisbergen. Sogar in sehr großen Seen wie dem Baikalsee oder den Great Lakes in Nordamerika wurden Effekte der Corioliskraft auf die Wasserströmungen nachgewiesen.

Gardasee als Testobjekt

Doch wie sieht es bei kleineren Seen aus – spielt auch hier die Corioliskraft für die Umwälzströmungen eine Rolle? Schon länger legen theoretische Studien nahe, dass der Effekt der Erddrehung zumindest bei langen schmalen, tiefen Seen vorhanden sein müsste. „Aber bisher ist dies nie explizit gemessen worden“, erklären Sebastiano Piccolroaz von der Universität Utrecht und seine Kollegen. Am gut 50 Kilometer langen und bis zu 17 Kilometer breiten Gardasee in Italien haben sie dies nun nachgeholt.

Wegen seiner großen Tiefe von bis zu 350 Metern und der relativ schmalen Form kommt es im Gardasee nur selten zu einer vollständigen Durchmischung aller Wasserschichten, wie die Forscher erklären. Was diese meist im Frühjahr stattfindenden Umwälzereignisse auslöst, war bisher aber nur in Teilen geklärt. Um das herauszufinden, zeichneten die Forscher zwei Jahre lang an drei Messstationen im See Temperaturen und andere Wasserparameter auf, zusätzlich werteten sie Daten naher Wetterstationen aus.

Querströmung bei Nordwind

Dabei zeigte sich: Neben den Temperaturunterschieden zwischen Oberfläche und Tiefenwasser spielen auch Wind und Corioliskraft eine entscheidende Rolle für die Umwälzströmungen im See. „Immer, wenn der Wind entlang der Hauptachse des Gardasees weht, erzeugt die Erdrotation eine sekundäre Zirkulation“, berichten Piccolroaz und sein Team. Dabei lenkt die Corioliskraft den aus Norden kommenden Wind und das Wasser nach rechts Richtung Westen ab.

Strömungen im Gardasee
Strömungsbedingte Temperaturverteilung im Gardasee mit Corioliskraft (links) und ohne. © Piccolroaz et al./ Scientific Reports, /CC-by-sa 4.0

Belege dafür lieferte ein geophysikalisches Modell, in dem die Forscher das Geschehen einmal mit und einmal ohne Erdrotation simulierten. „Der Unterschied ist eklatant: Im nichtrotierenden Fall fehlte die sekundäre Zirkulation und damit auch der laterale Temperaturgradient“, sagen die Wissenschaftler. „Wenn dagegen die Corioliskraft miteinbezogen wird, ist der gesamte schmale Rumpf des Sees von einer deutlichen Querströmung betroffen.“

Durchmischung bis zum Seegrund

Durch diese Querströmung wird warmes Oberflächenwasser ans Westufer des Gardasees gedrückt, während am Ostufer kaltes Tiefenwasser aufsteigen kann, wie die Forscher feststellten. Dadurch kommt eine Umwälzströmung in Gang, die den See durchmischt. Vor allem zwischen Februar und April, wenn die Seetemperatur am niedrigsten ist, kann diese vertikale Umwälzströmung sogar den Grund des Sees erreichen – in einer Tiefe von 350 Metern“, erklären die Forscher.

Nach Ansicht der Wissenschaftler belegt das Beispiel des Gardasees, dass die Corioliskraft nicht nur für die Strömungen in großen Wasserkörpern wie den Ozeanen oder sehr großen Seen eine wichtige Rolle spielt. Stattdessen könnte dieser Effekt auch für kleinere, schmale Seen oder auch Fjorde relevant sein. „Dieses zusätzliche Element wurde in solchen Gewässern oft vernachlässigt“, so Piccolroaz und sein Team. Doch die Kenntnis dieser Einflussfaktoren sei notwendig, um die Reaktion von Seen auf Veränderungen des Klimas zu verstehen. (Scientific Reports, 2019; doi: 10.1038/s41598-019-44730-1)

Quelle: Università di Trento

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