Belastete Textilien: Das umstrittene Umwelthormon Bisphenol A (BPA) steckt offenbar auch in Kinderkleidung. Wie eine Untersuchung aus Spanien zeigt, ist der Stoff unter anderem in Socken für Babys und Kinder enthalten. Demnach ließ sich die potenziell schädliche Substanz in neun von zehn getesteten Textilien nachweisen – darunter auch Produkte internationaler Marken. Wie groß das gesundheitliche Risiko durch die Socken ist, ist allerdings noch unklar.
Die Chemikalie Bisphenol A (BPA) steckt in vielen Alltagsprodukten – von Wasserflaschen, über Konservendosen bis hin zu Plastikschüsseln und Kassenzetteln. Oft ist diese Substanz Zusatzstoff von sogenannten Weichmachern, die Kunststoffe flexibel, geschmeidig und elastisch machen sollen. Doch sie ist mehr und mehr umstritten. Der Grund: BPA kann nachweislich in den Hormonhaushalt eingreifen und steht im Verdacht, beim Menschen zu gesundheitlichen Problemen zu führen.
So soll das Umwelthormon unter anderem Autismus begünstigen, Wachstumsprozesse stören und Übergewicht fördern können. Besonders bedenklich ist in diesem Zusammenhang, dass der Stoff mitunter auch in Produkten für Babys und Kleinkinder enthalten ist – sie reagieren sehr empfindlich auf hormonartige Substanzen.
Kinderkleidung im Blick
Seit 2011 ist der Einsatz von BPA in Babyflaschen in der Europäischen Union (EU) zwar verboten. Über andere Quellen sind die Kleinsten dem potenziellen Schadstoff allerdings nach wie vor ausgesetzt. Wie Carmen Freire von der Universität Granada und ihre Kollegen nun herausgefunden haben, stellt sogar Kinderkleidung offenbar ein Risiko dar.
Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler 32 Paar Socken für Kinder im Alter zwischen einem und 48 Monaten. Die Testtextilien kauften sie in drei Geschäften in Spanien, die jeweils unterschiedliche Marken und Preiskategorien anboten: lokale Marken aus dem unteren Preissegment, internationale günstige Marken sowie hochwertige und etwas teurere internationale Marken. Der Preis für drei Paar Socken lag dabei je nach Geschäft zwischen 1,50 Euro und 7,95 Euro.
Billigsocken besonders bedenklich
Alle Kleidungsstücke wurden im Labor auf ihre chemische Zusammensetzung hin überprüft. Das Ergebnis: In 90,6 Prozent der Proben wiesen die Forscher tatsächlich BPA nach. Neun von zehn Paar Socken enthielten somit den bedenklichen Stoff – allerdings in stark variierenden Konzentrationen. So rangierte der gemessene BPA-Gehalt von 0,7 bis 3.736 Nanogramm pro Gramm Stoff. Mit Abstand am meisten BPA steckte in den günstigen Socken des lokalen Anbieters, wie das Team berichtet.
Doch BPA war nicht das einzige Umwelthormon in den Socken: Auch sogenannte Parabene wie Ethylparaben und Methylparaben waren in den Textilien enthalten. Vertreter dieser Stoffklasse wiesen Freire und ihre Kollegen in jeder einzelnen Probe nach.
Hormonell aktiv
Sowohl BPA als auch Parabene können im Körper wie Hormone wirken – und tatsächlich ließ sich eine solche hormonelle Aktivität auch für die untersuchten Socken feststellen. Die internationalen Marken schnitten dabei wieder deutlich positiver ab als die lokalen Produkte. So wiesen die Wissenschaftler eine östrogenartige Aktivität in 83,3 Prozent der Billigsocken nach. Bei den teureren Socken aus den beiden anderen Geschäften war dies dagegen bei nur drei der getesteten Paare der Fall.
„Dies ist die erste Untersuchung aus Europa die zeigt, dass BPA und Parabene in Socken für Babys und Kinder weit verbreitet sind“, konstatieren die Forscher. Was bedeutet dies nun für die Verbraucher? Wie hoch das gesundheitliche Risiko durch die Socken und andere möglicherweise belastete Kleidungsstücke ist, können Freire und ihr Team lediglich schätzen.
Riskantes Fuß-Nuckeln?
Ob die enthaltenen Schadstoffe in bedenklichen Konzentrationen über die Haut aufgenommen werden oder zum Beispiel beim Waschen auch auf andere Textilien übergehen, wissen die Wissenschaftler nicht genau. Für sie besteht die größte Gefahr aber ohnehin in der potenziellen Aufnahme über den Mund. Denn viele Babys nuckeln mit Vorliebe an ihren Füßen – und könnten dabei auch mit den Umwelthormonen in Kontakt kommen.
Freire und ihre Kollegen wollen in einem nächsten Schritt nicht nur Eltern und Hersteller auf dieses potenzielle Problem aufmerksam machen. Sie fordern auch Maßnahmen durch die nationalen Regierungen oder die EU: „Die Regierungen müssen den Einsatz von endokrinen Disruptoren in Textilien stärker regulieren“, so ihr Fazit. (Environment International, 2019; doi: 10.1016/j.envint.2019.04.013)
Quelle: Universität Granada