Es wird teuer: Durch einen ungebremsten Klimawandel könnte der weltweite Stromverbrauch in den nächsten 30 Jahren um bis zu 58 Prozent ansteigen, bei gemäßigter Erwärmung immerhin noch um bis zu 27 Prozent, wie Forscher ermittelt haben. Denn in den Tropen, aber auch in Südeuropa, China und im Süden der USA treiben mehr heiße Tage den Kühlungsbedarf in die Höhe. In Mitteleuropa jedoch könnten die milderen Winter sogar zu Stromeinsparungen führen, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.
Der Klimawandel wird teuer: Schon jetzt verursachen zunehmende Wetterextreme wie Stürme, Dürren oder Starkregen immer wieder schwere Schäden, Hitzewellen steigern den Bedarf an Klimatisierung und Bewässerung. Wissenschaftler prognostizieren, dass durch den Klimawandel vor allem in Ballungsräumen, aber auch in den USA und anderen reichen Ländern die wirtschaftlichen Kosten steigen werden.
Weniger heizen, aber mehr kühlen
Doch wie wirkt sich der Klimawandel insgesamt auf den Energiebedarf der Menschheit aus? Theoretisch treibt zwar der vermehrte Bedarf für Klimatisierung und Bewässerung an heißen Tagen den Stromverbrauch in die Höhe. Gleichzeitig aber verringern milde Winter den Energiebedarf für das Heizen in kälteren Regionen. „Ob die künftige Erwärmung den Strombedarf erhöht oder verringert ist daher eine entscheidende Frage“, sagt Koautor Ian Wing von der Boston University.
Bisher jedoch wurde dies nur für bestimmte Länder oder Wirtschaftssektoren untersucht. Wing, Erstautor Bas van Ruijven und ihr Team haben nun erstmals analysiert, wie sich der globale Energieverbrauch unter fünf sozioökonomischen Szenarien und zwei möglichen Klimaentwicklungen – ungebremster und gemäßigter Klimawandel – bis zum Jahr 2050 weltweit entwickeln wird.
Die Forscher betrachteten dabei die vier Wirtschaftssektoren Haushalte, Industrie, Unternehmen und Landwirtschaft. Grundlegende Veränderungen durch Bevölkerungswachstum und wirtschaftliche Veränderungen wurden dabei als Basiswert miteinbezogen.
Global steigt der Energiebedarf
Das Ergebnis: Insgesamt wird der Energiebedarf der Menschheit durch den Klimawandel ansteigen. Gegenüber dem Basiswert steigt der weltweite Bedarf an Strom, Brennstoffen und anderen Energiequellen bei gemäßigter Erwärmung (Szenario RCP 4.5) um elf bis 27 Prozent. Bei ungebremstem Klimawandel (Szenario RCP 8.5) erhöht sich der globale Energiebedarf sogar um 25 bis 58 Prozent gegenüber dem Basiswert, wie die Forscher ausrechneten.
„Den größten Beitrag zu diesem Anstieg leisten die Industrie und der Dienstleistungssektor – bei beiden ist der Energiebedarf netto positiv“, berichten van Ruijven und sein Team. „Der Beitrag von Haushalten und der Landwirtschaft ist dagegen klein und nettto negativ.“ Allerdings: Betrachtet man nur den Stromsektor, zeigt sich in allen Sektoren ein klarer Anstieg des Bedarfs, so die Forscher.
Europa gehört zu den „Gewinnern“
Dabei gibt es jedoch deutliche regionale Unterschiede, wie die Simulationen ergaben. In den Tropen, aber auch im Süden der USA könnte der Energiebedarf durch die zunehmende Hitze um mehr als 50 Prozent zusätzlich ansteigen. „Im Mittleren Osten und in Afrika werden dadurch 147 bis 446 Millionen Menschen großen Anpassungsherausforderungen gegenüberstehen“, sagen van Ruijven und seine Kollegen. In Südeuropa und China müssten mit einem zusätzlichen Energiebedarf von mehr als 25 Prozent rechnen.
Anders dagegen in Mittel- und Nordeuropa, in Russland, Teilen Kanadas und dem Norden der USA: Dort führt die sinkende Zahl kalter Tage im Winter zu Einsparungen beim Heizen, die den steigenden Kühlungsbedarf im Sommer ausgleichen oder sogar übertreffen, wie die Forscher ermittelten. Dadurch könnte der Netto-Energiebedarf sogar um bis zu zehn Prozent sinken. Große Teile Europas könnten damit sogar zu den „Gewinnern“ der Klimaentwicklung gehören.
Die Armen tragen die Hauptlast
Insgesamt wird der kombinierte Einfluss von Bevölkerungsentwicklung, Wirtschaftstrends und dem Klimawandel der Schwerpunkt des Energiebedarfs künftig deutlich verschieben. „Heute konzentriert sich der globale Energieverbrauch in den reichen Ländern der gemäßigten Breiten, vor allem Westeuropa, die USA, Japan und China“, berichten die Wissenschaftler. Im Jahr 2050 könnten die ärmeren Länder die Hauptlast tragen.
„Je geringer das Pro-Kopf-Einkommen ist, desto größer wird der Anteil des Einkommens sein, den Familien ausgeben müssen um sich an den erhöhten Energiebedarf anzupassen“, erklärt van Ruijven. „Die Armen stehen dabei nicht allein finanziellen Problem gegenüber, viele leben auch in Regionen mit unzuverlässiger Stromversorgung oder gar keinem Stromnetz. Sie werden dadurch verstärkt hitzebedingten Gesundheitsproblemen und Todesfällen ausgesetzt sein.“ (Nature Communications, 2019; doi: 10.1038/s41467-019-10399-3)
Quelle: Ca Foscari Universität Venedig