Ernährung

Ist mütterlicher Süßstoff-Konsum schlecht fürs Baby?

Kontakt mit Zuckerersatzstoffen über Plazenta und Muttermilch verändert die Darmflora

Schwangerschaft
Nimmt die Mutter Süßstoffe zu sich, bekommt auch das Kind im Mutterleib etwas davon mit. © Janulla/ iStock.com

Schädlicher Zuckerersatz: Künstliche Süßstoffe können über Plazenta und Muttermilch auch in den Körper von Ungeborenen und Babys gelangen – mit spürbaren Folgen. Wie Versuche mit Mäusen enthüllen, beeinflusst der frühe Kontakt mit Zuckerersatzstoffen wie Sucralose und Acesulfam-K den Stoffwechsel und die Darmflora des Nachwuchses. Diese Veränderungen scheinen unter anderem die Leberfunktion zu beeinträchtigen und Diabetes fördern zu können.

Künstliche Süßstoffe galten ursprünglich als die gesunde Alternative zum kalorienhaltigen Zucker. Doch inzwischen geraten sie zunehmend ins Zwielicht. So zeigen Studien, dass die Zuckerersatzstoffe den Appetit steigern und damit erst recht zu Übergewicht führen können. Zudem gibt es sogar Hinweise darauf, dass Süßstoffe wie Aspartam, Saccharin oder Sucralose die Darmflora und den Stoffwechsel verändern – und damit Erkrankungen wie Diabetes fördern.

Von der Mutter zum Kind

Da die Substanzen erwiesenermaßen in die Plazenta und die Muttermilch gelangen können, haben sich Stephanie Olivier-Van Stichelen vom Medical College of Wisconsin in Milwaukee und ihre Kollegen nun gefragt: Könnte sich mütterlicher Süßstoff-Konsum auch negativ auf den Nachwuchs auswirken?

Um dies herauszufinden, fütterten die Forscher Mäuse während der Schwangerschaft und Stillzeit mit einer Lösung aus zwei gängigen Zuckerersatzstoffen: Sucralose (E955) und Acesulfam-K (E950). Diese Süßstoffe sind unter anderem in vielen Light-Limonaden und Nahrungsergänzungsmitteln für Sportler enthalten und werden oft gemeinsam in einem Produkt eingesetzt.

Einfluss auf Mikrobiom und Metabolismus

„Durch die Kombination von Süßstoffen könnten sich auch die Effekte auf den Metabolismus und das Mikrobiom verstärken. Daher haben wir für unsere Studie die typische Paarung von Sucralose und Acesulfam-K verwendet“, erklärt Olivier-Van Stichelen. Im Test erhielten die Mäuse entweder eine Dosis, die der für Menschen empfohlenen täglichen Höchstmenge entspricht, oder sie bekamen die doppelte Menge. Eine Kontrollgruppe erhielt statt der süßen Lösung Wasser.

Wie würde sich der Süßstoff-Konsum auf den Nachwuchs der Nagetiere auswirken? Die Analysen von Blut-, Kot- und Urinproben von insgesamt 226 Mäusebabys enthüllten: Beide Zuckerersatzstoffe wurden tatsächlich von der Mutter auf das Kind übertragen – und wie vermutet, beeinflussten sie offenbar die Darmflora und den Stoffwechsel der jungen Mäuse.

Erhöhtes Risiko für Diabetes?

So stellten die Wissenschaftler in beiden Süßstoffgruppen signifikante metabolische Veränderungen im Vergleich zur Kontrollgruppe fest. Wie sie berichten, schien dadurch unter anderem die Funktion der Leber beeinträchtigt zu werden. Darüber hinaus war auch die Zusammensetzung des Darmmikrobioms deutlich verändert.

Demnach fehlte bei den mit den Zuckerersatzstoffen belasteten Jungtieren unter anderem die wichtige Bakterienspezies Akkermansia muciniphila. Vergleichbare Veränderungen der Darmflora werden beim Menschen mit der Entwicklung von Diabetes Typ 2 sowie Übergewicht in Verbindung gebracht. „Die beobachteten Effekte könnten im späteren Leben zu Stoffwechselerkrankungen führen“, erklären die Forscher.

Auf die Dosis kommt es an

Was bedeuten diese Ergebnisse nun für werdende und stillende Mütter – sollten sie gar keine künstlichen Süßstoffe zu sich nehmen? „Unsere Untersuchungen deuten darauf hin, dass der Effekt der Zuckerersatzstoffe stark von der Dosis abhängt“, konstatiert das Forscherteam. So waren die metabolischen Veränderungen in der Gruppe mit der doppelten Süßstoffdosis deutlich ausgeprägter.

Andere beobachtete Effekte wie ein geringeres Gewicht oder ein erhöhter Nüchternblutzucker wurden überhaupt erst in dieser Gruppe sichtbar. Die Veränderungen der Darmflora waren jedoch schon bei der moderaten Einnahme drastisch, wie die Wissenschaftler erklären. Auch wenn die Ergebnisse aus dem Tierversuch erst noch in Studien mit Menschen bestätigt werden müssen, raten sie Müttern daher dazu, den Konsum der süßen Substanzen zumindest zu reduzieren.

„Entscheidendes Entwicklungsstadium“

Das Problem dabei: Künstliche Süßstoffe sind im Alltag nur schwer zu vermeiden. Denn sie stecken nicht nur in zahlreichen Lebensmitteln, sondern sogar in Zahnpasta und Mundspülungen. Oft verstecken sich die Zuckerersatzstoffe dabei hinter für den Laien unverständlichen E-Nummern und die genaue Menge ist in den Produkten meist gar nicht angegeben.

„Die perinatale Phase ist ein entscheidendes Entwicklungsstadium in Bezug auf die Darmflora und andere wichtige Systeme – sowohl bei Mäusen als auch beim Menschen. Die potenziell schädlichen Einflüsse früher Süßstoffexposition müssen daher in Zukunft weiter erforscht werden“, schließt Olivier-Van Stichelens Kollege John Hanover. (Frontiers in Microbiology, 2019; doi: 10.3389/fmicb.2019.01360)

Quelle: Frontiers

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