Archäologie

Schon die Neandertaler nutzten Kleber

Steinwerkzeuge wurden mit "Klebstoff" aus Harz und Bienenwachs an Griffen befestigt

Neandertaler
Um ihre Steinwerkzeuge an Griffen zu befestigen, nutzten die Neandertaler Kleber aus Harz, den sie über dem Feuer erwärmten. © Randii Oliver/ gemeinfrei

Klebriger Fund: Neandertaler kannten bereits eine Art Klebstoff. Wie Funde von rund 50.000 Jahre alten Steinwerkzeugen aus Italien zeigen, nutzten unsere Steinzeit-Cousins damals schon Kleber aus Kiefernharz und Bienenwachs. Mit diesen Substanzen befestigten sie bearbeitete Feuersteine an Griffen aus Holz und Knochen. Damit wird wieder einmal deutlich, wie fortschrittlich die Werkzeugkunst der Neandertaler schon war.

Längst gilt der Neandertaler nicht mehr als „dummer Vetter“ des Homo sapiens. Denn archäologische Funde haben in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt, dass diese Steinzeitmenschen erstaunliche Fähigkeiten besaßen – zum Beispiel in Sachen Werkzeugherstellung. So produzierte der Homo neanderthalensis nicht nur einfache Faustkeile aus Feuerstein, sondern sogar spezialisierte Knochenwerkzeuge und Holzspeere.

Seltsame Rückstände

Ihre Steinwerkzeuge statteten die Neandertaler zudem manchmal mit Griffen aus Holz oder Knochen aus. Um diese Teile mit dem eigentlichen Werkzeug zu verbinden, nutzten sie eine raffinierte Technik: Offenbar verwendeten unsere Steinzeit-Cousins bereits eine Art Kleber. Hinweise darauf haben Forscher um Ilaria Degano von der Universität Pisa nun in zwei Höhlen an der italienischen Westküste entdeckt.

In der Grotta del Fossellone und der Grotta di Sant’Agostina fanden sie mehr als 1.000 Steinwerkzeuge aus der Zeit vor rund 50.000 Jahren. Unter diesen Funden waren bearbeitete Feuersteinstücke, die Reste eines zunächst unbekannten, wahrscheinlich organischen Materials an sich trugen. Was hatte es mit diesen Rückständen auf sich?

Steinwerkzeuge
An diesen Feuersteinen entdeckten die Archäologen Rückstände von Harz. © Degano et al. 2019, PLOS One

Harz und Bienenwachs

Um dies herauszufinden, analysierten die Wissenschaftler zehn der Neandertaler-Artefakte mithilfe der Gaschromatographie-Massenspektrometrie. Die Ergebnisse enthüllten: An den Feuersteinen klebte Harz von Kieferbäumen. In einem Fall war die Substanz mit Bienenwachs vermischt worden. Doch wie die Archäologen feststellten, gab es in der unmittelbaren Umgebung der Fundstelle keine Hinweise auf zufällig heruntergetropftes Baumharz. Auch die Verteilung der Harzreste auf den Steinstücken spricht ihrer Ansicht nach für eine absichtliche Applikation.

Demnach sammelten die Neandertaler damals gezielt diesen natürlichen Kleber, um ihre Werkzeuge mit Griffen versehen zu können. Wie das Team um Degano betont, ist der Fund nicht der erste Beleg für den Einsatz dieser Technik bei Neandertalern. Er zeige aber, dass die Methode verbreiteter war als gedacht und ein fester Bestandteil des technologischen Repertoires unserer Steinzeit-Cousins war.

Über Feuer erwärmt

Darüber hinaus liefert die Klebepraktik einen weiteren Hinweis darauf, dass der Homo neanderthalensis ein Meister des Feuermachens war. Denn Kiefernharz trocknet an der Luft schnell aus. Um das Harz als Kleber nutzen zu können, mussten die Neandertaler es über dem Feuer erwärmen. „Dies ist einer von vielen Belegen dafür, dass Neandertaler Feuer machen konnten, wann immer sie es benötigten“, konstatiert Mitautorin Paola Villa von der University of Colorado in Boulder.

„Wir finden immer wieder Beweise dafür, dass diese Steinzeitmenschen keine dem Homo sapiens unterlegenen Primitiven waren. Auch sie konnten Dinge tun, die traditionell den modernen Menschen zugeschrieben wurden“, schließt die Archäologin. (PLOS One, 2019; doi: 10.1371/journal.pone.0213473)

Quelle: University of Colorado Boulder

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