Man könnte meinen, es gäbe schon eine Lösung für das Plastikproblem: Biokunststoff. Der Begriff findet sich in letzter Zeit immer häufiger etwa auf Plastiktüten, Einweggeschirr und Müllbeuteln – und klingt nach Materialien aus Naturstoffen, die binnen kürzester Zeit auf dem Kompost verrotten. Doch so einfach ist die Sache mit dem alternativen Plastik nicht.
Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass die Bezeichnung Bioplastik zweierlei Dinge bedeuten kann: Entweder der Kunststoff wurde aus biobasierten Rohstoffen wie Mais, Kartoffeln oder Zuckerrüben gewonnen oder er ist biologisch abbaubar. Biologisch abbaubares Plastik muss nicht aus biobasiertem Material bestehen. Auch konventionelles Plastik kann besser kompostierbar gemacht werden, indem ihm beispielsweise Enzyme oder Metallionen beigemischt werden.
Kein Fall für den Komposthaufen!
Was nach einer guten Sache klingt, halten Experten bislang jedoch vor allem für eines: Augenwischerei. Das hat zwei Gründe: Zum einen verrotten angeblich biologisch abbaubare oder kompostierbare Plastikalternativen in der Realität längst nicht so gut wie es das Label Bioplastik suggeriert.
So funktioniert die Zersetzung solcher Materialien oft nur unter ganz bestimmten Bedingungen in industriellen Kompostwerken. In der Natur überdauern diese Kunststoffformen dagegen wahrscheinlich fast genauso lange wie ihre konventionellen Pendants.
Plastik aus Abfall
Plastikvarianten aus pflanzlichen Rohstoffen haben zudem ein weiteres Problem: Die Erzeugung der Ausgangsmaterialien verbraucht nicht nur Düngemittel und Pestizide, sondern auch Landfläche. Dadurch besteht die Gefahr, dass der Anbau von Rohstoffpflanzen für biobasierte Kunststoffe in Konkurrenz zum Anbau von Nahrungs- und Futtermitteln tritt.
Um dieses Problem zu umgehen, arbeiten Forscher inzwischen an Plastikalternativen, die aus Abfall bestehen. In Hannover experimentiert ein Wissenschaftlerteam zum Beispiel mit Kaffeesatz. Allein in Deutschland fallen jährlich 500.000 Tonnen davon an. Sie könnten biobasiertem Plastik anteilig zugesetzt werden und so landwirtschaftliche Anbaufläche sparen.
Einwegbesteck zum Aufessen
Auch aus Strohresten oder Krustentierschalen lassen sich Polymere gewinnen, die ähnliche Eigenschaften wie Styropor, PET und Co haben. Eine Firma aus Italien verfolgt einen anderen Ansatz: Sie stellt Plastiktüten aus Distelöl her. Dies ist zwar kein Abfall, aber Disteln gedeihen auf kargen Böden, die landwirtschaftlich ohnehin nicht genutzt werden können.
Auch für das Problem mit der Kompostierbarkeit haben einige Erfinder bereits interessante Lösungen entwickelt – bei manchen von ihnen stellt sich die Frage nach dem Müll erst gar nicht: Ein indisches Startup hat zum Beispiel Einwegbesteck entwickelt, das man nach dem Gebrauch einfach aufessen kann. Es besteht aus Hirse, Reis und Weizen und ist sogar in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen erhältlich.
Die Suche geht weiter
Eine ähnliche Idee verfolgen eine Reihe von Unternehmen, die an essbaren und vollständig auflösbaren Verpackungen arbeiten. Darunter sind etwa Wasserflaschen aus Algen oder auf dem Milchprotein Casein basierende Folien. Bei Verpackungen wie diesen stellt sich allerdings wieder die Frage nach der Konkurrenz zu „richtigen“ Nahrungsmitteln: Wo sollen Milch, Reis und Co für die Materialien herkommen?
Noch scheint es das ideale Bioplastik nicht zu geben – doch die Suche danach geht weiter.