Schleichende Verlagerung: Die Ökosysteme der Great Plains haben sich in den letzten 50 Jahren deutlich nach Norden verschoben, wie eine Studie an Vogelpopulationen enthüllt. Am Südrand identifizierten Forscher eine Nordverschiebung um rund 260 Kilometer, im Norden sogar um gut 590 Kilometer nordwärts. Ursachen seien der Klimawandel, aber auch andere menschliche Eingriffe in die Natur, so die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Climate Change“.
Schon länger prognostizieren Wissenschaftler, dass der Klimawandel zu einer Verschiebung der Klimazonen führen wird – und in einigen Gegenden ist dies bereits nachweisbar. So ist der Tropengürtel schon um 0,5 Breitengrade angewachsen und die Zugbahnen von Hurrikans reichen weiter nach Norden. In den USA wandert zudem die eher trockene Klimazone im Westen des Landes immer weiter Richtung Osten und hat dabei bereits den 100. Längengrad überschritten.
Verschiebung in Richtung Pol
Ein weiteres Beispiel für sich verschiebende Klima- und Ökozonen haben nun Caleb Roberts von der University of Nebraska-Lincoln und sein Team in den USA entdeckt. Für ihre Studie hatten sie 50 Jahre an Daten zur Verteilung und Verbreitung verschiedener Vogelgemeinschaften in den Great Plains ausgewertet – dem rund 500 Kilometer breiten Streifen waldarmer, eher trockener Feld- und Graslandschaften im mittleren Westen der USA.
Das Ergebnis: Die durch die verschiedenen Vogelgemeinschaften gekennzeichneten Ökosysteme der Great Plains haben sich seit 1970 messbar nach Norden verschoben. „Die Analysen enthüllten polwärtige Verschiebungen sowohl der südlichen als auch der nördlichen Ökoregime-Grenzen“, berichten die Forscher. „Das stützt unsere Hypothese einer direktionalen und relativ geordneten Wanderung.“
Effekt im Norden stärker
Besonders schnell verschoben hat sich die Nordgrenze der Grasland-Ökosysteme: Sie wanderte in den letzten knapp 50 Jahren um mehr als 50 Kilometer polwärts – das entspricht einem Schnitt von rund 13 Kilometern pro Jahr, wie Roberts und sein Team ermittelten. Die südlichen Grenzen dieses Ökoregimes bewegten sich dagegen deutlich langsamer – sie haben sich „nur“ um 260 Kilometer nach Norden verschoben.
„Diese Unterschiede passen zum erwarteten Phänomen der arktischen Amplifizierung“, erklären die Wissenschaftler. Unter diesem Begriff werden die Effekte des polwärts stärker zutage tretenden Klimawandels zusammengefasst. Weil, sich beispielsweise die Arktis und die höheren Breiten in Relation zum globalen Durchschnitt stärker erwärmen, reagieren auch die nördlicher liegenden Klimazonen und Ökosysteme stärker.
Ursache ist der Klimawandel – aber nicht nur
Doch die Ursache für diese Ökosystem-Verschiebungen ist nicht der Klimawandel allein, wie die Forscher betonen: „Wie so vieles in der Ökologie haben auch diese Verschiebungen mehrere Ursachen“, erklärt Roberts‘ Kollege Craig Allen. „Es ist nahezu unmöglich, beispielsweise die Ausbreitung des Waldes vom Klimawandel zu trennen, denn beides ist eng miteinander verknüpft.“
Neben der Klimaveränderung sehen die Wissenschaftler unter anderem veränderte, weiter nach Norden verschobene Busch- und Waldbrand-Risikozonen, die Landnutzung durch den Menschen und auch die zunehmende Bewaldung von Teilen der einst eher steppenartigen Landschaft. Für das Grasland, eine der am stärksten bedrohten Ökozonen der Welt, sei diese Entwicklung fatal, so die Forscher.
Naturschutz muss sich anpassen
„Wir erreichen die Grenze der Widerstandsfähigkeit des Graslands“, warnt Roberts. „Es ist kurz davor, zu kollabieren, vor allem in unserer Region.“ Die neuen Erkenntnisse könnte nun dazu beitragen, die Ökosysteme der Great Plains besser zu schützen. Denn hält die Verschiebung an, könnte viele schützenswerte und seltene Artengemeinschaften aus den bisherigen Schutzgebieten herauswandern. Werden diese nicht angepasst, bleibt der Schutz damit wirkungslos. (Nature Climate Change, 2019; doi: 10.1038/s41558-019-0517-6)
Quelle: University of Nebraska-Lincoln