Goliath hatte europäische Wurzeln: Forscher könnten das Rätsel um die Herkunft der Philister gelöst haben – des Volks, das in der Bibel als Gegenspieler der Israeliten erwähnt wird. Demnach war diese Volksgruppe offenbar europäischer Abstammung – ihre Vorfahren kamen am Ende der Bronzezeit aus Südeuropa. Das enthüllen nun DNA-Analysen von zehn Toten, die in der Bronze- und Eisenzeit in der Philisterstadt Aschkelon gestorben waren.
Vor rund 3.200 Jahren erlebten viele Kulturen des Nahen Ostens einen großen Umbruch. Die Macht vieler großer Reiche, darunter der Ägypter, Mykener und Hethiter, schwand. Neue Machtzentren und Kulturen breiteten sich aus. Zu ihnen gehörten auch die Philister – ein Volk, das damals an der Küste des alten Kanaan einen Fünf-Städte-Bund gründete. Aus der biblischen Überlieferung sind die Philister als Gegenspieler der Israeliten bekannt, ihr berühmtester Vertreter war der von David besiegte Krieger Goliath.
Das Rätsel der Philister
Doch wer waren diese Philister? Und woher kamen sie? Klar scheint, dass ihre Präsenz einen deutlichen kulturellen Wandel brachte, wie archäologische Funde aus den Philisterstädten Aschkelon, Aschdod und Ekron belegen. „Diese Siedlungen waren in Architektur und materieller Kultur anders als ihre Nachbarn“, berichten Michal Feldmann vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena und sein Team. Forscher vermuten daher, dass die Philister damals von woanders her nach Israel einwanderten.
Einer Theorie zufolge gehörten die Philister zu den rätselhaften „Seevölkern“ – nomadischen Einwanderern, die am Ende der Bronzezeit immer wieder Küstengebiete im Mittelmeerraum überfielen. Auch deren Herkunft ist allerdings ungeklärt – Hypothesen reichen von Kleinasien über Griechenland bis hin zur eurasischen Steppe. Andere Forscher sehen dagegen im Philisterreich eher eine Folge lokaler Einwanderungen und kultureller Einflüsse.
Ein europäischer Gen-Anteil
Um das Rätsel der Philister zu lösen, haben nun Feldmann und sein Team die DNA von zehn Toten analysiert, die am Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit in Aschkelon begraben worden waren. Die Forscher verglichen das Erbgut mit dem von heutigen Europäern und dem von heutigen und bronzezeitlichen Bewohnern der Levante und Kleinasiens.
Das Ergebnis: Bis zum Ende der Bronzezeit waren die Bewohner Aschkelons Teil der normalen Populationsmischung der Levante. Mit Beginn der Eisenzeit jedoch änderte sich das Bild: Die vier Toten aus der Zeit vor rund 3.200 Jahren wiesen deutliche Anteile europäischer DNA auf. „Die einzigartigen kulturellen Merkmale der frühen Philister spiegeln sich damit in einer spezifischen genetischen Zusammensetzung wider“, sagen die Forscher.
Damit scheint klar, dass die Philister keine rein lokale Volksgruppe waren. Stattdessen wanderten sie am Übergang von der Bronzezeit zur Eisenzeit nach Kanaan ein. „Das stimmt mit den archäologischen und schriftlichen Zeugnissen überein“, berichten Feldmann und sein Team.
Kreta, Sardinien und die Iberische Halbinsel
Doch woher in Europa kamen die Vorfahren der Philister? Detailliertere DNA-Vergleiche enthüllten Übereinstimmungen des Philister-Erbguts sowohl mit bronzezeitlichen Kretern und Iberern, als auch mit modernen Bewohnern Sardiniens. Dies spricht für eine Herkunft der Philister aus Südeuropa oder von den Inseln im Mittelmeer, wie die Forscher berichten. Allerdings betonen sie auch, dass sie noch nicht alle in Frage kommenden Populationen in die Vergleiche miteinbezogen haben.
Interessant sind diese Ergebnisse aber nicht nur im Hinblick auf die Philister – sie könnten auch dazu beitragen, das Rätsel der Seevölker zu klären. Denn wenn die Philister zu diesen gehörten, verrät ihre Abstammung möglicherweise auch die Herkunft dieser bronzezeitlichen Piraten und Eroberer. Tatsächlich schwächen die neuen DNA-Daten zumindest eine der gängigen Theorien: Mit der DNA von bronzezeitlichen Steppenvölkern fanden Feldmann und sein Team keine gute Übereinstimmung.
„Diese Daten beginnen, eine zeitliche Lücke in der genetischen Karte der Ostmittelmeerküste zu schließen“, erklärt Feldmanns Kollege Johannes Krause.
Europäische Gene wurden schnell „verdünnt“
Und noch etwas enthüllten die DNA-Analysen: Nachdem die Philister in Aschkelon angekommen waren, vermischten sie sich relativ schnell mit ihren Nachbarn. Denn schon 200 Jahre später ist der genetische Fußabdruck der Einwanderer kaum noch nachweisbar, wie die Forscher berichten. Offenbar wurde der europäische Genanteil durch Mischehen mit der lokalen Bevölkerung stark „verdünnt“.
Die Philister in der späten Eisenzeit unterschieden sich dadurch zwar noch kulturell von ihren Nachbarn, sie waren aber genetisch längst „eingebürgert“. (Science Advances, 2019; doi: 10.1126/sciadv.aax0061)
Quelle: Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte