Klima

Neue Wälder als Klimaretter?

Aufforstung von 900 Millionen Hektar Wald könnte zwei Drittel der CO2-Emissionen schlucken

Wald
Wälder sind wichtige CO2-Schlucker – und auf der Erde ist Platz genug, um 900 Millionen Hektar Wald aufzuforsten. © Xurzon/ iStock.com

Platz genug: Weltweit könnten rund 0,9 Milliarden Hektar Landfläche zu neuen Wäldern aufgeforstet werden – ohne dass Äcker oder Siedlungen weichen müssen, wie nun eine Studie enthüllt. Das Entscheidende jedoch: Nach Angaben der Forscher soll diese zusätzliche Waldfläche ausreichen, um zwei Drittel der menschengemachten CO2-Emissionen zu schlucken. Waldschutz und Aufforstung könnte damit eine der besten Lösungen für den Klimaschutz sein, so die Forscher im Fachmagazin „Science“.

Wälder sind nicht nur die „grüne Lunge“ unseres Planeten – sie wirken auch als Puffer im Klimasystem. Denn die rund drei Billionen Bäume weltweit nehmen CO2 auf und tragen damit zur Senkung des CO2-Gehalts der Atmosphäre bei. Allerdings: Waldbrände, Rodungen und die Fragmentierung der Baumbestände setzen den Wäldern zu und mindern auch ihre CO2-Aufnahme. Waldschutz und Aufforstung gelten daher schon länger als wichtiger Teil der Klimaschutzbemühungen.

Doch wie groß wäre der Klimaeffekt einer gezielten Aufforstung? Und wie viel Platz gäbe es dafür auf den irdischen Landflächen? Der Weltklimarat IPCC schätzte in seinem letzten Weltklimabericht, dass man mit rund einer Milliarde Hektar zusätzlichen Waldes die Klimaerwärmung bis 2050 auf 1,5 Grad begrenzen könnte. Aber nicht überall ist eine Aufforstung möglich: Viele Regionen sind zu kalt oder zu trocken, andere werden für landwirtschaftliche Flächen, für Siedlungen und andere menschliche Aktivitäten benötigt.

Wie viel Wald gibt es – und wo ist noch Luft?

Konkrete Zahlen liefern nun Jean-Francois Bastin von der ETH Zürich und seine Kollegen. Sie haben erstmals ermittelt, wo auf der Erde das Potenzial für zusätzliche Waldflächen bestünde. Dafür werteten sie Daten zu fast 80.000 Wäldern weltweit aus und kartierten zunächst den bestehenden Waldbestand. Dann ermittelten sie mithilfe von Klimadaten, auf welchen Flächen zusätzlicher Wald wachsen könnte.

Das Ergebnis: „Grundsätzlich könnte die irdische Landfläche unter den bestehenden Klimabedingungen Wälder mit 4,4 Milliarden Hektar Kronenfläche hervorbringen“, berichten Bastin und sein Team. „Das sind 1,6 Milliarden Hektar mehr als heute existieren.“ Allerdings: Die Flächen, die weltweit für Landwirtschaft und Siedlungen benötigt werden, muss man davon wieder abziehen.
„Denn diese Gebiete sind nötig, um die wachsende Weltbevölkerung zu erhalten“, betonen die Forscher.

Freier Platz so groß wie die USA

Das aber bedeutet: Weltweit bleiben 0,9 Milliarden Hektar an Fläche übrig, die für eine Aufforstung und Waldregeneration zur Verfügung stünden – dies entspricht in etwa der Fläche der USA. Platz für zusätzliche CO2-Senken gäbe es demnach auf unserem Planeten genug. Viele dieser potenziellen Aufforstungsgebiete liegen zudem in Regionen, die zuvor durch Brände, Stürme oder andere Ereignisse entwaldet wurden, andere Flächen weisen bisher nur einen lockeren Baumbestand auf, der verdichtet werden könnte

Potenzielle Aufforstungsflächen
Die Karte zeigt die weltweit für eine Aufforstung verfügbaren Flächen. © Bastin et al. /ETH Zürich

Doch wo liegen diese potenziellen Waldgebiete? „Mehr als die Hälfte dieses Potenzials verteilt sich auf nur sechs Staaten“, berichten Bastin und seine Kollegen. 151 Millionen Hektar könnten demnach in Russland aufgeforstet werden – gerade in diesem Land sind in den letzten Jahren enorme Waldflächen durch Brände zerstört worden. Weitere 103 Millionen Hektar liegen in den USA und 78,4 Millionen Hektar in Kanada. Australien könnte mit 58 Millionen Hektar beitragen und China mit immerhin noch 40,2 Millionen Hektar.

Genug für zwei Drittel der CO2-Emissionen

Was aber brächte das für den Klimaschutz? Dafür rechneten die Forscher aus, wie viel CO2 die zusätzlichen Waldflächen aufnehmen könnten. Das Ergebnis: „Wir schätzen, dass die Vegetation in diesen Aufforstungsgebieten zusätzliche 205 Milliarden Tonnen Kohlenstoff speichern könnten“, berichten sie. Das entspricht ihren Angaben nach etwa zwei Dritteln der rund 300 Gigatonnen an Kohlenstoff, die die Menschheit seit der industriellen Revolution als CO2 in die Atmosphäre emittiert hat. Anderen Berechnungen nach ist diese anthropogene Kohlenstofflast allerdings deutlich höher.

„Unsere Studie zeigt deutlich, dass Aufforstung derzeit die beste verfügbare Lösung gegen den Klimawandel ist“, sagt Koautor Tom Crowther von der ETH. „Und es ist eine Klimalösung, an der wir alle mitwirken können: Jeder kann Bäume pflanzen, für die Waldregeneration spenden oder Geld in klimafreundliche Unternehmen investieren“.

Wettlauf gegen die Zeit

Allerdings drängt die Zeit, wie Crowther betont: „Wir müssen schnell handeln, denn es wird Jahrzehnte dauern, bis die Wälder reifen und ihr Potenzial als natürliche CO2-Speicher ausschöpfen.“ Hinzu kommt, dass der Verlust der bestehenden Wälder immer weiter fortschreitet. Vor allem im brasilianischen Amazonas-Regenwald und in Südostasien werden immer mehr Waldgebiete zerstört, um Platz für Viehweiden oder Plantagen zu schaffen.

„Aus Klimasicht ist daher beides wichtig. Die Vermeidung von Entwaldung, um die Emission nicht ansteigen zu lassen und die Aufforstung, um Kohlenstoff aus Emissionen zu binden“, kommentiert Karlheinz Erb von der Universität für Bodenkultur in Wien die Studie. Dies ist seiner Ansicht nach auch deshalb wichtig, weil die Autoren in ihrer Schätzung der verfügbaren Aufforstungsflächen nicht alle einschränkenden Faktoren berücksichtigt haben. Es fehlt beispielsweise der steigende Bedarf an Ackerflächen oder der Holznutzung durch die wachsende Weltbevölkerung.

„Daraus folgt, dass Aufforstung wohl nicht eine Wunderwaffe darstellt, sondern Teil einer Lösung sein muss“, meint Erb. Ähnlich sieht es auch Felix Creutzig vom Mercator-Forschungszentrum: „Die Aufforstung kann trotz allen Potenzials nur eine von vielen Maßnahmen für den Klimaschutz sein. Eine rasche Abkehr vom fossilen Wirtschaftsmodell ist notwendig.“ (Science, 2019; doi: 10.1126/science.aax0848)

Quelle: ETH Zürich, AAAS

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