Die Anfänge des Lebens auf der Erde liegen bis heute weitgehend im Dunkeln. Wir kennen weder den genauen Zeitpunkt, an dem die ersten Zellen entstanden, noch die Umstände ihrer Entwicklung. Klar scheint nur, dass die Organismenwelt unseres Planeten mehr als zwei Milliarden Jahre lang einen gemeinsamen Nenner hatte: Die Lebewesen blieben einzellig und mikroskopisch klein.
Wie aber entstanden aus diesen Urmikroben die Vorfahren der heutigen Tiere und Pflanzen? Lange vermuteten Paläontologen den Startschuss dieser Entwicklung in der „kambrischen Explosion„. In dieser Phase vor rund 540 Millionen Jahren tauchten plötzlich unzählige neue Mehrzeller-Formen auf. Scheinbar aus dem Nichts entwickelten sich damals nahezu alle Grundbaupläne des Tierreichs – von den Vorfahren der Krebse und Spinnentiere bis zum Urahn aller späteren Wirbeltiere. Bis heute gelten diese urzeitlichen Tiere als die Vorfahren allen tierischen Lebens.
Murrays Entdeckung
Umso überraschender war eine Entdeckung, die der schottische Geologe Alexander Murray im Jahr 1868 machte. Bei einer Expedition nach Neufundland stieß er in einer Gesteinsschicht auf scheibenförmige Fossilien, die ihn an winzige Quallenmedusen oder andere Nesseltiere erinnerten. Denn die mehrere Millimeter bis wenige Zentimeter großen Abdrücke wiesen konzentrische Ringe und radiäre Rippen auf, die auf eine rudimentäre Körpergliederung hindeuteten.
Merkwürdig nur: Diese Fossilien stammten aus einer Schicht unterhalb der kambrischen Ablagerungen. Demnach mussten diese Aspidella terranovica getauften Relikte deutlich älter sein als alle bisher bekannten Lebensformen. Den Datierungen nach stammten sie aus der Zeit vor 550 bis 600 Millionen Jahren. Sollte es demnach im Präkambrium doch schon Urzeittiere gegeben haben?
Tierisches Leben schon im Präkambrium?
Als Murray und der Paläontologe Elkanah Billings diese Theorie der Wissenschaftlergemeinde vorstellten, schlugen ihnen nur Ungläubigkeit und Zweifel entgegen. Einige Forscher hielten die scheibenförmigen Abdrücke für anorganische Ablagerungen, andere sahen darin Strukturen, die durch Gasblasen entstanden waren. An ein Tier aus dem Präkambrium wollte jedoch niemand glauben – und das blieb fast hundert Jahre lang so.
Erst im Jahr 1946 wandelte sich das Bild. Denn dann entdeckten Paläontologen in den Ediacara-Hügeln in Südaustralien gleich mehrere unterschiedliche Fossilformen, die allesamt aus der Zeit vor der kambrischen Explosion stammten. Wenig später stießen Forscher auch in England auf ein farnähnliches Fossil, das eindeutig in präkambrischem Gestein eingebettet war. Damit war klar: Murrays „Scheiben“ waren kein Einzelfall mehr – es muss schon in der Zeit vor mehr als 550 Millionen Jahren größere Lebensformen gegeben haben.
Inzwischen kennen Paläontologen rund 120 verschiedene fossile Spezies aus dieser Ediacarium getauften Zeitperiode. Diese Organismen kamen damals offenbar sowohl in flachen Küstengebieten des Urmeeres vor als auch in der Tiefsee. Doch worum handelt es sich bei diesen bizarren Wesen?