Stellares Paradox: Astronomen haben eine Gruppe Roter Riesensterne entdeckt, die gleichzeitig jung und alt zu sein scheinen. Ihre Chemie macht sie zu Methusalems, ihre Masse aber spricht für eine eher kurze Lebensdauer. Eine mögliche Erklärung für dieses Paradox liefern nun neue Spektraldaten. Denn sie deuten darauf hin, dass diese Roten Riesen aus zwei miteinander verschmolzenen Sternen entstanden sein könnten – und das täuscht ihre Jugendlichkeit vor.
Wenn ein sonnenähnlicher Stern das Ende seines Lebenszyklus erreicht, bläht er sich allmählich immer weiter auf und wird so zu einem Roten Riesen – auch unsere Sonne wird in rund zehn Milliarden Jahren diese Verwandlung durchleben. Solche alten Sterne haben ihren Kernbrennstoff nahezu komplett verbraucht, so dass statt Wasserstoff fast nur noch durch die Kernfusion erzeugte schwerere Elemente wie Kohlenstoff, Sauerstoff und Stickstoff vorhanden sind.
Alt und jung zugleich
Wie lange ein Stern bis zum Stadium des Roten Riesen benötigt, ist allerdings sehr unterschiedlich: Typischerweise brennen massereiche Sterne schnell aus und bilden daher relativ „junge“ Rote Riesen. Masseärmere Sterne wie unsere Sonne dagegen können mehr als zehn Milliarden Jahre leuchten, bevor sie sich aufblähen. Solche Methusalems lassen sich daran erkennen, dass sie relativ wenig Eisen enthalten – denn diese Elemente waren in ihrer Entstehungszeit noch rar.
Umso merkwürdiger ist eine Gruppe von Roten Riesen, die Astronomen vor einigen Jahren entdeckt haben. „Die Sterne schienen gleichzeitig alt und jung zu sein“, erklärt Saskia Hekker vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS). Der im Vergleich zu anderen Metallen geringe Eisengehalt spricht für ein hohes Alter von mehr als zehn Milliarden Jahren. Abschätzungen ihrer Masse ergaben dagegen, dass diese Sterne nicht älter sein können als maximal sechs Milliarden Jahre.
Spurensuche im Spektrum
Wie aber ist dieser Widerspruch zu erklären? Um das herauszufinden, haben sich Hekker und ihre Kollegin Jennifer Johnson von der Ohio State University diese „jungen alten“ Roten Riesen nun noch einmal genauer vorgenommen. Dafür werteten sie Spektraldaten aus, die das Apache Point Observatory in New Mexico eingefangen hatte. Der Fokus lag dabei auf der Menge der Elemente Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff – Material, das durch Konvektionsströmungen aus dem Inneren der Sterne an die Oberfläche transportiert wurde.
Das Entscheidende dabei: Das Verhältnis dieser Elemente kann verraten, wie heiß und damit wie massereich der betreffende Stern ist. Das erlaubte es den Astronominnen, die früheren Masseschätzungen mit einer unabhängigen Methode zu überprüfen. Gleichzeitig konnten sie aus dem Elementverhältnissen auch Informationen über das Alter dieser Roten Riesen gewinnen.
Signatur von Leichtgewichten
Das überraschende Ergebnis: Bei einigen Roten Riesen fanden die Forscherinnen Werte, die eigentlich für Sterne geringer Masse typisch sind. „Diese Stern sind massereich, haben aber relativ niedrige Stickstoff zu kohlenstoff-Verhältnisse“, berichten Hekker und Johnson. Rein äußerlich gesehen sind diese Roten Riesen demnach Schwergewichte, obwohl sie die chemische Signatur von Leichtgewichten besitzen.
Wie aber ist dies zu erklären? „Bevor sie zu Roten Riesen wurden, müssen diese Sterne noch vergleichsweise leicht gewesen sein“, sagt Johnson. „Ihr hohes Gewicht ist somit keine ursprüngliche Eigenschaft und eignet sich nicht zur Altersbestimmung“, ergänzt Hekker. „Sie sind in Wirklichkeit alt.“
Aus einer Sternenkollision entstanden?
Die Ursache für den plötzliche Massenzuwachs der Roten Riesen könnte eine vergangene Sternenkollision sein, mutmaßen die Forscherinnen. Durch diese Kollision vereinigten sich zwei alte, aber kleine Sterne und wurden zu einem massereichen Gebilde. „Ihr heutiges hohes Gewicht lässt sich dadurch erklären, dass sie als Rote Riesen mit anderen Sternen verschmolzen sind“, erklärt Johnson. Sollten sich dies bestätigen, könnte dies auch neue Erkenntnisse dazu liefern, wie häufig Sterne im Kosmos verschmelzen.
Allerdings: Diese Erklärung greift nicht für alle untersuchten Sterne, wie die Astronominnen erklären. Denn bei einigen stimmt die hohe Masse mit dem Verhältnis von Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff an ihrer Oberfläche überein. „Diese Sterne könnten in einer früheren Entwicklungsphase, bevor Kernmaterial an die Oberfläche gewirbelt wurde, mit anderen verschmolzen sein“, mutmaßt Hekker. Eine endgültige Erklärung steht jedoch noch aus. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2019; doi: 10.1093/mnras/stz1554)
Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS)