Gefährliche Displays? Die Silber-Nanodrähte von flexiblen, transparenten Displays könnten gesundheitliche Nebenwirkungen entfalten, wie nun eine Studie nahelegt. Demnach können Bruchstücke der winzigen Silberfasern in Hautzellen eindringen und diese schwer schädigen – ähnlich wie Asbestfasern in der Lunge. Abhilfe könnten jedoch besonders dünne Silber-Nanodrähte schaffen: Sie werden in den Zellen zerknüllt und richten so weniger Schaden an, wie die Forscher berichten.
Ob als Handy mit knickbarem Display, als transparenter Folienscreen oder aufrollbarer Computerbildschirm: Flexible, transparente Displays gelten als die Technik der Zukunft. Die Basis dieser Technologie bilden hauchfeine Nanodrähte aus Gold oder Silber, die als Elektroden die Leitfähigkeit des Materials sicherstellen, aber es dennoch flexibel und transparent machen. „Geräte auf Basis von flexiblen Silber-Nanodrähten werden die heute existierenden gedopten Zinnoxidschichten auf Glas bei Displays und Touchscreens bald ablösen“, sagen Sylvia Lehmann von der Universität Grenoble-Alpes und ihre Kollegen.
Nanofasern mit Nebenwirkungen
Dieser vielversprechende Trend hat allerdings einen Haken: Die hauchfeinen Nanodrähte könnten gesundheitsschädlich sein. Denn Erfahrungen mit Asbestfasern und Nanoröhrchen zeigen, dass Nanodrähte oder -fasern einer bestimmten Größe zellschädigend sind. Das Problem dabei: Die Nanofasern täuschen die Zellen, so dass diese sie irrtümlich in sich aufnehmen. Weil die Fasern aber viel zu lang für die Zelle sind, bleiben sie wie Speere in der Membran stecken – für die Zellen endet dies fatal.
Könnten auch Nanodrähte aus der Elektronik diese Wirkung entfalten? Immerhin werden diese Nanofasern im Gegensatz zum Asbest nicht eingeatmet und kommen höchstens mit der Haut in Kontakt. „Zwar bildet die Dermis der gesunden menschlichen Haut eine Barriere bei kurzzeitigem Kontakt mit Nanodrähten, wir haben aber beobachtet, dass Silber-Nanodrähte trotzdem durch die Epithel-Barriere dringen können“, berichten Lehmann und ihre Kollegen.
Zellschäden auch bei Silber-Nanodraht
Welche Nanodrähte am ehesten in Hautzellen eindringen können und wie man dies vermeiden könnte, haben die Forscher nun näher untersucht. Dafür setzten sie Zellkulturen von Bindegewebszellen von Mäusen und Menschen sowie Darmzellen von Regenbogenforellen verschieden großen Bruchstücken von Silber-Nanodrähten aus. Die Länge der Drähte lag bei zehn oder 25 Mikrometern, der Durchmesser bei 30, 60 oder 90 Nanometern.
Das Ergebnis: „Nahezu 100 Prozent der Silber-Nanodrähte wurden innerhalb von 24 Stunden von den Zellen aufgenommen“, berichten Lehmann und ihr Team. Die Folgen für die Zellen waren dabei fatal: „In allen Fällen fanden wir eine dosisabhängige Reduktion des Zellüberlebens“, so die Forscher. Je mehr Nanodrähte vorhanden waren, desto mehr Zellen starben ab.
Dies bestätigt, dass Silber-Nanodraht-Stücke ähnlich wie Asbestfasern oder Nanoröhrchen zellschädigend wirken können – wenn sie in die Zellen eindringen. Wie leicht sich jedoch Silber-Nanodrähte aus den Displays lösen und wie viele tatsächlich bei bloßem Kontakt in die Haut eindringen, ist noch offen.
Je dünner, desto besser
Interessant auch: Wie schädlich ein Stück Silber-Nanodraht ist, hängt offenbar entscheidend von seinem Durchmesser ab. „Wir haben festgestellt, dass die Toxizität der Silber-Nanodrähte verringert werden kann, wenn man den Durchmesser verringert“, berichten die Forscher. Demnach erwiesen sich Nanodrähte mit nur 30 Nanometern Durchmesser um zwei Größenordnungen weniger schädlich als gleichlange, aber 90 Nanometer dicke Drahtstücke. Sie verursachten weniger Verletzungen der Zelle und einen geringeren oxidativen Stress.
Den Grund dafür enthüllten Röntgenanalysen: Die dickeren Nanodrahtstücke blieben auch nach Aufnahme in die Zellen gerade und steckten dadurch wie Speere im Zellinneren. Anders war dies bei den dünneren Silber-Nanodrähten. „Die Mehrheit der 30 Nanometer dicken Silber-Nanodrähte war nach Aufnahme in die Zellen komplett verformt und zeigte zusammengeknüllte, kollabierte und sogar ringförmige Formen“, berichten Lehmann und ihr Team. Das allerdings funktionierte nur bei Nanodrähten von maximal zehn Mikrometern Länge.
„Effektive Strategie gegen Zellschäden“
Nach Ansicht der Forscher belegen ihre Experimente nicht nur, dass Silber-Nanodrähte potenziell schädlich sein könnten – sie zeigen auch, wie sich dies vermeiden ließe. „Den Durchmesser der Silber-Nanodrähte zu reduzieren, ist eine effektive Strategie, um Zellverletzungen zu minimieren, ohne dass die Leistung der Technologie sinkt“, konstatieren Lehmann und ihre Kollegen.
Sie empfehlen demnach, die Silber-Elektroden für künftige flexible, transparente Displays nur 30 Nanometer dick und maximal zehn Mikrometer lang zu machen – das verringert das Risiko von zellschädigenden Effekten, falls diese Nanodrähte in die Haut gelangen. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2019; doi: 10.1073/pnas.1820041116)
Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)