Gefährlicher Abfall: Auch für Haie und Rochen stellt Plastikmüll im Ozean eine ernsthafte Bedrohung dar. Wie eine Studie enthüllt, verfangen sich die großen Raubfische immer wieder in Schnüren, Netzen oder anderen Kunststoffteilen. Besonders gefährdet scheinen dabei Arten zu sein, die lange Strecken im offenen Meer zurücklegen. Zudem spielt offenbar die Körperform eine Rolle für das Risiko.
Unser Plastikabfall vermüllt inzwischen die gesamte Meeresumwelt: Von der Arktis bis in die Südsee findet sich in allen Tiefenschichten des Ozeans Kunststoff. Für die dort lebenden Tiere stellt diese Vermüllung eine tödliche Gefahr dar. Immer wieder verenden Fische, Schildkröten, Vögel und andere Meeresbewohner, weil Kunststoffteile in ihrem Verdauungstrakt landen oder sie sich in Plastikschnüren verfangen.
Wie gefährdet sind Haie und Rochen?
Das Grundproblem ist hinlänglich bekannt – weniger klar ist jedoch, wie groß das Risiko für unterschiedliche Tiergruppen konkret ist. Zum Beispiel für Haie und Rochen: Wie oft verheddern sich diese Fische in Schnüren, Netzen oder anderen Plastikteilen? Um das herauszufinden, haben Kristian Parton von der University of Exeter und sein Team nun unterschiedliche Studien zu diesem Thema ausgewertet und außerdem auf Twitter nach Hinweisen gesucht.
„Unsere Untersuchung ist die erste, die in diesem sozialen Netzwerk Daten über solche Ereignisse gesammelt hat. Dabei haben wir verhedderte Tiere von Arten und an Orten entdeckt, die in der wissenschaftlichen Literatur bisher nicht dokumentiert sind“, berichtet Partons Kollege Brendan Godley.
Über 1.000 Einzelfälle
Insgesamt stießen die Wissenschaftler bei ihren Analysen auf Berichte von über 1.000 in Plastik verfangenen Einzeltieren. In den 26 ausgewerteten akademischen Publikationen waren 557 Fälle betroffener Haie und Rochen dokumentiert. Darunter waren 34 unterschiedliche Spezies aus allen drei großen Ozeanen: dem Atlantik, dem Pazifik und dem Indischen Ozean. Besonders häufig verhedderten sich demnach unter anderem Katzenhaie und Dornhaie in Kunststoffteilen.
Auf Twitter fanden die Forscher insgesamt 74 Berichte, die 559 einzelne Haie und Rochen betrafen. Unter den 26 betroffenen Spezies waren dabei Walhaie, Tigerhaie, Riesenhaie und Weiße Haie, wie das Team erklärt. „Ein Beispiel aus unserer Studie ist auch ein Kurzflossen-Mako, um dessen Körper ein Fischerseil gewickelt war“, berichtet Parton. „Der Hai war offenbar weitergewachsen, nachdem er sich verheddert hatte. Denn das inzwischen mit Seepocken besetzte Seil hatte sich tief in seine Haut geschnitten und sein Rückgrat geschädigt.“
Gefährliche Netze und Schnüre
Solche Fälle sind offenbar keine Seltenheit: Beide Quellen legen den Forschern zufolge nahe, dass umherschwimmende Teile von Netzen, Angelschnüren und anderen Fischereiutensilien den Tieren am häufigsten zum Verhängnis werden. Doch auch Plastiktüten, Gummireifen und Schnüre von Verpackungen können zur Gefahr werden.
Mithilfe ihrer Auswertungen identifizierten Parton und seine Kollegen zudem Faktoren, die das Risiko für einzelne Arten zu beeinflussen scheinen. Demnach spielt zum einen der Lebensraum eine Rolle. So waren im offenen Ozean lebende Haie und Rochen häufiger betroffen als Tiere, die am Meeresboden zuhause sind. Außerdem sind auch Arten, die im Zuge der Migration lange Strecken zurücklegen, offenbar besonders gefährdet. Ein weiterer Faktor ist die Körperform: Ungewöhnliche Körpermerkmale wie die Säge des Sägefisches sind demnach prädestiniert dafür, sich zu verheddern.
Nicht die größte Bedrohung
Zwar sterben durch ungewollten Beifang wahrscheinlich noch immer mehr Haie und Rochen als durch Plastik, wie die Wissenschaftler betonen. „Obwohl das Verfangen in Kunststoff nicht die größte Gefahr für die Zukunft dieser Tiere ist, ist es wichtig, auch das Ausmaß dieser Bedrohung zu verstehen“, konstatieren sie. „Außerdem ist das Thema eine ethische Frage, weil verhedderte Tiere leiden, Schmerzen haben und mitunter qualvoll verenden“, schließt Parton. (Endangered Species Research, 2019; doi: 10.3354/esr00964)
Quelle: University of Exeter