Steinzeitliches Schmiermittel: Schweinefett könnte den Transport der massiven Steine von Stonehenge erleichtert haben. Darauf deuten große Mengen an Fettrückständen in 4.500 Jahre alten Tongefäßen in der Nähe des Megalith-Bauwerks hin. Zuvor waren diese Reste als Relikte großer Essgelage gedeutet worden. Nach Ansicht einer Archäologin handelt es sich jedoch um etwas anderes: Talg, der womöglich als Schmierfett für Schlitten genutzt wurde, mit deren Hilfe die Erbauer Steine heranschafften.
Stonehenge ist das wohl berühmteste Megalith-Bauwerk Europas. Doch obwohl dieses Monument im Südwesten Englands seit Jahrzehnten erforscht wird, sind viele Geheimnisse um seine Entstehungsweise bis heute offen. So weiß man inzwischen zwar, dass zumindest die Blausteine des äußeren Megalith-Rings aus dem Westen von Wales herangeschafft wurden.
Rätsel um Fettrückstände
Wie die Erbauer die massiven Steine von Stonehenge jedoch in Position brachten, ist unklar.
Experimente legen nahe, dass einige der Steine zum Beispiel auf hölzernen Schlitten über Baumstämme gerollt worden sein könnten. Auf jeden Fall aber waren viele anpackende Hände nötig, um die Brocken zu transportieren – und all diese Arbeiter mussten ernährt werden.
„Fettrückstände in steinzeitlichen Tongefäßen wurden in diesem Zusammenhang als Belege für große Essgelage interpretiert“, erklärt Lisa-Marie Shillito von der Newcastle University. Mehr als 300 Bruchstücke solcher Gefäße haben Archäologen in Durrington Walls in der Nähe von Stonehenge gefunden. Sie stammen aus der Zeit um 2.500 vor Christus und enthalten unter anderem Schweinefett.
Große Kübel statt Essgeschirr
Doch handelt es sich bei diesem Fett tatsächlich um Relikte ausgiebiger Mahlzeiten? Shillito bezweifelt das: „Warum findet sich so viel Schweinefett in den Gefäßen, wenn die an der Fundstelle ausgegrabenen Tierknochen doch darauf hindeuten, dass die meisten Schweine damals am Spieß gebraten wurden – und nicht zerkleinert und in Töpfen gegart“, konstatiert die Archäologin.
Gegen die Deutung der Fettrückstände als Spuren von Mahlzeiten der Stonehenge-Erbauer spricht zudem ein weiterer Befund. So findet sich ein Großteil des Fetts an Scherben, die zu Gefäßen in Größe und Form von Kübeln gehört haben müssen, anstatt zu Koch- und Essgeschirr. „Diese Rückstände könnten daher auch mit der Nutzung tierischer Ressourcen in einem nicht mit Essen assoziiertem Kontext in Verbindung stehen“, erklärt Shillito.
Beleg für die Schlitten-Theorie?
Aber in welchem? Shilito hat eine Vermutung: In den großen Gefäßen könnte Talg gelagert worden sein. Dieses tierische Eingeweidefett diente Menschen jahrhundertelang als Schmierfett zum Beispiel bei Kutschen. Was wäre, wenn schon die Erbauer von Stonehenge das Fett zu diesem Zweck genutzt haben?
„Eine solche Interpretation würde die Schlitten-Theorie zum Transport der Megalithe untermauern“, sagt die Archäologen. Demnach hätte das Fett als Schmiermittel für die Schlitten dienen können, auf denen die Erbauer die Brocken möglicherweise transportierten. Ob dies wirklich so war, bleibt vorerst allerdings offen. „Eine Funktion der Gefäße in Zusammenhang mit Nahrung ist nach wie vor möglich. Doch andere Erklärungen sind mindestens genauso plausibel“, schließt Shilito. (Antiquity, 2019; doi: 10.15184/aqy.2019.62)
Quelle: Newscastle University