Beschallung mit Folgen: Unterwasserlärm durch seismische Messungen schadet nicht nur Walen und Fischen – auch für Langusten ist die Schallbelastung offenbar problematisch. Wie eine Studie zeigt, können im Meer eingesetzte Schallkanonen das Gleichgewichtsorgan der Krebse dauerhaft beschädigen. Als Folge haben die Tiere Schwierigkeiten damit, ihre normale Körperhaltung einzunehmen.
Ob durch Schiffsschrauben, Offshore-Windparks oder Sonargeräte: Der Mensch verursacht im Ozean eine ganze Menge Lärm. Auch seismische Messungen für die Suche nach Erdöl- und Erdgaslagerstätten tragen zu dieser Geräuschkulisse bei. Mithilfe sogenannter „Airguns“ werden dabei pulsierende Schallwellen in Richtung Meeresboden geschickt – zum Leidwesen vieler Meerestiere.
Längst ist klar, dass die niederfrequenten Signale unter anderem Fische und Meeressäuger gefährden können. „Im Gegensatz zu Wirbeltieren ist über die Effekte seismischer Messungen auf Wirbellose bisher allerdings kaum etwas bekannt“, erklären Ryan Day von der University of Tasmania in Hobart und seine Kollegen.
Krebse unter Beschallung
Um dies zu ändern, haben sich die Wissenschaftler nun einem wirbellosen Ozeanbewohner näher gewidmet: der in Australien und Neuseeland heimischen Langustenart Jasus edwardsii. Für die Studie wurden Langusten in Hummerkörben auf den Meeresboden in zehn bis zwölf Metern Tiefe gesetzt. Nachdem sich die Krebse einige Tage akklimatisiert hatten, näherte sich ihnen ein Messschiff, das alle 11,6 Sekunden seine Schallkanone abfeuerte.
Die Lärmbelastung entsprach dabei in etwa der einer kommerziellen Vermessung in 100 bis 500 Metern Entfernung zu den Krebsen, wie die Forscher berichten. In einem Kontrollversuch mit weiteren Langusten passierte das Messschiff die Tiere zwar ebenfalls. Seine Airgun war aber nicht im Einsatz.
Gestörter Stellreflex
Wie würde sich der Lärm auf die Langusten auswirken? Die Ergebnisse enthüllten: Offenbar hatten die Schallwellen die Gleichgewichtsorgane der Tiere beschädigt. Diese sogenannten Statocysten bestehen aus einer mit Flüssigkeit gefüllten Blase, in der kleine Körnchen liegen. Kommen diese Statolithen in Bewegung, reizen sie umgebende Sinneshärchen und liefern den Tieren somit wichtige Informationen über ihre Position im Raum.
Genau diese Sinneshärchen hatten durch die Unterwasser-Geräusche jedoch Schaden genommen. Als Folge entwickelten die Langusten sichtbare Gleichgewichtsprobleme. Drehten die Wissenschaftler die Tiere um, fiel es ihnen schwer, sich wieder aufzurichten. Diese Beeinträchtigung des Stellreflexes zeigte sich auch ein Jahr später noch unverändert. „Das deutet darauf hin, dass der Schaden zwar nicht weiter fortschreitet, aber auch nicht reversibel ist“, konstatiert das Team.
Nachteil für das Überleben?
Selbst eine komplette Häutung brachte den Langusten in diesem Zusammenhang offenbar keine Besserung. „Der Statocyst ist Teil der Kutikula, die beim Häutungsprozess abgeworfen wird. Die anhaltende Schädigung hat uns daher sehr überrascht“, erklären Day und seine Kollegen. Warum sich die Lärmschäden so nachhaltig manifestieren, ist ihnen zufolge bisher ebenso unklar wie die damit verbundenen Beeinträchtigungen für die Tiere.
Es scheint jedoch zumindest denkbar, dass die chronische Störung des Stellreflexes die betroffenen Langusten einschränken und womöglich sogar deren Überleben gefährden kann. „Langusten nutzen Informationen von den Statocysten, den Propriozeptoren in den Beinen und den Augen, um ihre Position im Raum wahrzunehmen und anzupassen“, schreiben die Forscher. „Fällt einer dieser Informationskanäle weg, müssen sie sich verstärkt auf die anderen verlassen.“
Ob und wie gut dies gelingt, werden künftige Untersuchungen zeigen müssen. Ebenso muss den Wissenschaftlern zufolge überprüft werden, ob nicht auch weitere Sinnesorgane der Langusten durch die Beschallung beeinträchtig werden.
Problem bestätigt
„Die Ergebnisse unserer Studie liefern einen weiteren Beleg dafür, dass menschengemachter Lärm Meeresbewohnern, einschließlich wirbellosen Tieren, empfindlich schaden kann“, resümieren die Wissenschaftler. Sie fordern nun weitere Studien, um den Einfluss der Lärmbelastung auf marine Ökosysteme weltweit und Wirtschaftszweige wie die Fischerei besser zu verstehen. (Proceedings of the Royal Society B, 2019; doi: 10.1098/rspb.2019.1424)
Quelle: Proceedings of the Royal Society B