Feuriges Inferno: Astronomen haben erstmals die Vulkanaktivität auf dem Jupitermond Io über mehrere Jahre hinweg verfolgt – und Überraschendes entdeckt. Denn ausgerechnet die heftigsten Eruptionen sind nicht zufällig verteilt, sondern konzentrieren sich alle auf der in Bahnrichtung rückwärtigen Seite des Mondes. Warum, ist bisher rätselhaft. Die Häufigkeit dieser Mega-Ausbrüche spricht aber dafür, dass sie eher die Regel als die Ausnahme sein könnten.
Der innerste Jupitermond Io ist der vulkanisch aktivste Himmelskörper unseres Sonnensystems. Seine schweflig gelbe Oberfläche wird von Lavafeldern und mehr als 150 aktiven Vulkanen dominiert. In einem Jahr produzieren sie hundertfach mehr Lava als alle irdischen Vulkane zusammen. Ursache für die hohe vulkanische Aktivität ist die enorme Schwerkraft des nahen Jupiter: Die Gezeitenkräfte walken das Innere von Io so stark durch, dass es unter dessen Oberfläche wahrscheinlich einen Magmaozean gibt.
Io unter Dauer-Überwachung
Doch die genauen Mechanismen hinter dem Vulkanismus auf Io sind bisher nur wenig erforscht. Zudem bleibt rätselhaft, warum einige Vulkane immer wieder auszubrechen scheinen, während an anderen Stellen eher eine Art „Einmal-Ausbruch“ stattfindet. Das Problem: „Um die räumliche und zeitliche Verteilung des Vulkanismus auf Io zu bestimmen, benötigt man eine große Zahl an Hotspot-Beobachtungen über lange Zeiträume hinweg“, erklären Katherine de Kleer vom California Institute of Technology und ihr Team.
Bisher allerdings standen den Planetenforschern nur kurzzeitige „Schnappschüsse“ der vulkanischen Aktivität auf dem Jupitermond zur Verfügung. Diese Daten stammen von Vorbeiflügen von Raumsonden wie Voyager, Cassini und Galileo. Um die langfristige Aktivität auf Io zu erfassen, haben de Kleer und ihr Team den Jupitermond seit 2013 regelmäßig mit den Infrarot-Teleskopen des Keck- und des Gemini North-Observatoriums auf Hawaii ins Visier genommen.
Insgesamt beobachten die Astronomen Io über fünf Jahre hinweg in 271 Nächten – länger als jemals zuvor. Die Auflösung ihrer Wärmebilder lag zwischen 100 und 500 Kilometern – dies ist mit denen der Raumsonde Galileo vergleichbar, wie die Forscher erklären.
Ausbrüche wie mit dem Metronom getaktet
Das Ergebnis ist ein ganz neuer Blick auf den „hyperaktiven“ Jupitermond. Die Forscher wurden Zeugen von insgesamt 980 Ausbrüchen an 75 Hotspots. „Dies ist der größte Datensatz mit thermischen Emissionen von individuellen Io-Hotspots, der je erstellt wurde“, sagen sie. Die Daten enthüllen unter anderem, dass die Lava der Io-Vulkane eine große Temperaturspanne aufweist. Bei einigen Vulkanen war sie mehr als 1.200 Grad heiß, bei anderen war die Lava kaum wärmer als die Mondoberfläche.
Einige Vulkane auf Io, darunter der Loki Patera, brechen zudem mit verblüffender Regelmäßigkeit aus. Dieser Feuerberg produzierte alle 465 Tage eine Eruption – warum, ist bislang unklar. Andere Hotspots dagegen scheinen eher Einmal-Ereignisse zu sein. An diesen Stellen traten die Ausbrüche in den fünf Jahren nur jeweils einmal auf, wie de Kleer und ihr Team berichten.
18 Mega-Vulkane – mindestens
Spannend auch: 18 Hotspots auf Ios Oberfläche scheinen besonders explosiv zu sein, denn an diesen Stellen registrierten die Astronomen immer wieder besonders helle, heiße Eruptionen. In ihrem Ausmaß ähneln diese Mega-Ausbrüche drei Ereignissen, die Forscher bereits im August 2013 auf dem Jupitermond beobachtet hatten. Damals spie der Mond in kürzester Zeit mehrere Kubikkilometer an Lava aus, die sich über hunderte Quadratkilometer der Oberfläche ausbreitete.
Auch die jetzt beobachteten 18 Mega-Hotspots sind in ihrem Ausmaß vergleichbar: „Diese Eruptionen sind typischerweise sehr heftige, kraftvolle Ereignisse mit signifikanter Emission von kurzwelliger Strahlung“, berichten de Kleer und ihr Team. „In den meisten Fällen waren diese Ausbrüche aber kurzlebig – ihre stärkste Helligkeit hielt nur wenige Tage an bevor sie nachließ.“ In allen Fällen spien diese Vulkane jedoch besonders heiße Lava von mehr als 50 Grad.
Nach Ansicht der Forscher bestätigen diese Beobachtungen, dass Mega-Eruptionen auf Io eher die Regle als die Ausnahme sind.
Rätselhafte Häufung auf der Rückseite
Merkwürdig jedoch: ‚“Jeder einzelne dieser 18 Vulkane liegt in einem Gebiet zwischen 128 und 308 westlicher Länge“, berichten de Kleer und ihre Kollegen. Und alle bis auf zwei der hellsten Eruptionen fanden auf der Rückseite des Jupitermondes statt – der Hälfte, die Io bei seinem Orbit um den Jupiter nach hinten kehrt. „Die Wahrscheinlichkeit, dass 16 von 18 dieser Ausbrüche auf der hinteren Halbkugel stattfinden, liegt bei einer zufälligen Verteilung der Vulkane bei nur 0,00066“, konstatieren die Forscher.
Das wirft die Frage auf, warum ausgerechnet die stärksten und hellsten Vulkanausbrüche sich auf nur einer Halbkugel des Jupitermonds konzentrieren. Denn bei allen anderen Hotspots und Eruptionen gibt es keinen Unterschied zwischen Vorder- und Rückseite: „Diese Asymmetrie bezieht sich jedoch nur auf den Charakter des Vulkanismus, die Hotspot-Zahlen und Strahlungsintensitäten sind auf beiden Hemisphären nahezu identisch“, berichten die Forscher.
Warum es diese Symmetrie der Mega-Ausbrüche gibt, bleibt vorerst rätselhaft. Die Forscher hoffen aber, dass gerade solche Auffälligkeiten wertvolle Hinweise darauf gegen könnten, was genau die Triebkraft hinter Ios Vulkanen ist. Denn mit ihrem großen Datensatz seien nun robuste statistische Analysen von Parametern wie der räumlichen und zeitlichen Verteilung der Ausbrüche und anderen Faktoren möglich. (The Astronomical Journal, 2019; doi: 10.3847/1538-3881/ab2380)
Quelle: AAS Nova