Chemie

Forscher filmen Molekül-Rotation

Laserfilm enthüllt Quantenphänomene bei rotierenden Molekülen

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Diese Einzelbilder zeigen im Film eingefangene Schritte der Molekülrotation, aufgenommen mit je rund sieben Pikosekunden Abstand. © DESY/ Evangelos Karamatskos

Ultraschnelle Schnappschüsse: Forschern ist es gelungen, die ultraschnelle Rotation eines Moleküls im Film einzufangen – ein auf Quantenebene extrem schwieriges Unterfangen. Ihr aus gut 650 Aufnahmen zusammengesetzter Film erfasst eine Bewegung, die nur 125 Billionstel Sekunden dauert. Danke spezieller Lasertechnik konnten die Wissenschaftler sogar die dabei auftretenden Quantenphänomene sichtbar machen, wie sie im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.

Die chemische Bindung und das Verhalten von Molekülen bilden die Basis aller Materialien. Entsprechend wichtig ist es, die Konfigurationen, Schwingungen und Reaktionen von Molekülen zu kennen und zu verstehen. Das aber ist nicht einfach. Selbst bei Allerwelts-Molekülen wie Wasser oder CO2 entdeckten Forscher bis heute überraschende Verhaltensweisen. Denn die ultraschnellen Reaktionen und Molekül-Umlagerungen sichtbar zu machen, ist eine echte Herausforderung.

Stäbchenmolekül beim Drehen „gefilmt“

„Es ist ein langgehegter Traum in der Molekülphysik, die ultraschnellen Bewegungen von Atomen in dynamischen Prozessen zu filmen“, erläutert Jochen Küpper vom Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) am DESY in Hamburg. Er und sein Team haben eine neue Methode entwickelt, mit der sich die nur wenige Billionstel Sekunden dauernde Rotation von Molekülen abbilden lässt. Ihr Versuchsobjekt war Carbonylsulfid (OCS), ein Molekül, in dem Sauerstoff, Kohlenstoff und Schwefel über jeweils eine Doppelbindung linear verbunden sind.

Für ihr Experiment nutzten die Forscher zwei zeitlich genau aufeinander abgestimmte Infrarotlaserpulse mit einem Abstand von 38 Pikosekunden, um die Carbonylsulfid-Moleküle in schnelle und kohärente Rotation zu versetzen. Mit einem weiteren, langwelligeren Laserpuls bestimmten die Wissenschaftler dann alle 0,2 Pikosekunden die Lage der Moleküle. „Da dieser Diagnostik-Laserpuls die Moleküle sprengt, musste der Versuch für jeden Schnappschuss neu angestoßen werden“, berichtet Erstautor Evangelos Karamatskos vom CFEL.

Der ganze Film dauert nur 125 Pikosekunden

Insgesamt nahmen die Wissenschaftler 651 Einzelbilder auf, die hintereinander montiert einen 125 Pikosekunden langen Film ergaben. Die neue Technik ermöglicht es dabei, die Bewegungen des Moleküls in sehr hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung zu erfassen und sichtbar zu machen. „Gemessen an der Detailgenauigkeit, die wir dabei zeigen konnten, ließen sich mit unserer Methode aufschlussreiche Filme der Dynamik anderer Prozesse und Moleküle aufnehmen, sagt Karamatskos.

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Eine komplette Umdrehung des Carbonylsulfid-Moleküls dauert nur 82 Pikosekunden. © DESY/ Evangelos Karamatskos

Der Film enthüllt sowohl wie als auch wie schnell sich das Molekül bewegt. „Daraus, dass sich diese einzelnen Bilder nach ungefähr 82 Pikosekunden wiederholen, lässt sich ablesen, wie lange eine Rotationsperiode eines Carbonylsulfid-Moleküls dauert“, erläutert Karamatskos‘ Kollege Arnaud Rouzée. In 125 Billionstel Sekunden dreht sich das stäbchenförmige Carbonylsulfid demnach eineinhalb Mal um sich selbst.

Quantenphänomene sichtbar gemacht

„Allerdings darf man sich die Rotation nicht wie bei einem drehenden Stock vorstellen“, betont Küpper. „Wir betrachten hier Prozesse im Reich der Quantenmechanik. Die genaue Position und der Impuls eines Moleküls können nicht beide zugleich mit höchster Präzision bestimmt werden, sondern zu jedem Zeitpunkt nur eine bestimmte Aufenthaltswahrscheinlichkeit, mit der das Molekül an einem Ort anzutreffen ist.“

Konkret bedeutet dies, dass das Molekül theoretisch zu bestimmten Zeiten zwei Neigungen gleichzeitig haben kann – es befindet sich im Zustand der Überlagerung. “Die Besonderheiten der Quantenmechanik zeigen sich unter anderem in Bildern des Films, auf denen das Molekül nicht in eine einzelne Richtung zeigt, sondern gleichzeitig – mit verschiedenen Wahrscheinlichkeiten – in verschiedene Richtungen“, erklärt Rouzée. „Genau diese Richtungen und Wahrscheinlichkeiten haben wir in dieser Untersuchung experimentell abgebildet.“

Nach Angaben der Forscher eröffnet ihre Methode neue Möglichkeiten, die ultraschnellen Prozesse und Bewegungen von Molekülen zu erforschen. Einsetzbar wäre sie beispielsweise bei der inneren Verdrehung von Molekülen oder bei chiralen Verbindungen, also solchen, die zwei spiegelbildliche Formen besitzen – ähnlich der rechten und linken menschlichen Hand. (Nature Communications, 2019; doi: 10.1038/s41467-019-11122-y)

Quelle: Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY

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