Ethisch vertretbar oder bedenklich? Aktuell haben gleich zwei Forscherteams die Diskussion um Mensch-Tier-Mischwesen neu entzündet. Denn beide Teams wollen solche Chimären in bisher nie dagewesener Form erzeugen. Ein japanisches Team will langfristig menschliche Organe in Schweinen züchten, ein spanisch-chinesisches Team hat menschliche Stammzellen in Affen-Embryonen eingeschleust.
Chimären sind Mischwesen, die aus Zellen und Geweben von zwei verschiedenen Arten bestehen. Dabei können die „fremden“ Zellen willkürlich verstreut sein oder sich in Form bestimmter Organe konzentrieren. So wurde schon 1984 die erste Chimäre aus Schaf und Ziege im Labor erzeugt, wenig später produzierten Forscher die ersten Mäuse mit menschlichem Immunsystem – eine in der Forschung seither viel genutzte Chimärenvariante. Auch Chimären aus verschiedenen Affenarten gibt es bereits.
Mensch im Tier
Doch gerade Mischwesen aus Mensch und Tier sorgen schon seit Jahren für heftige Diskussionen. Einerseits gelten sie als vielversprechender Weg, um medizinische Erkenntnisse zu gewinnen und vielleicht sogar menschliche Ersatz-Organe in Tieren zu erzeugen. Gleichzeitig aber werfen solche Chimären die Frage auf, wo dann die Grenze zwischen Mensch und Tier verläuft – vor allem wenn menschliche Zellen sich auch in den Gehirnen dieser Tiere wiederfinden.
Bereits 2013 haben Forscher Mäuse mit menschlichen Zellen im Gehirn erzeugt – und diese Chimären erwiesen sich dadurch als lernfähiger als ihre unbehandelten Artgenossen. Auch Meerkatzen haben Wissenschaftler schon menschliche Stammzellen ins Gehirn injiziert. Allerdings entstanden diese Chimären noch nicht durch Manipulation früher Embryonen.
Mischung schon im frühen Embryo
Anders ist dies bei den beiden aktuell diskutierten Chimären-Projekten. Denn bei diesen werden menschliche Stammzellen ihren tierischen Empfängern schon im frühen Embryonalstadium injiziert. Als Folge ist nicht nur der menschliche Anteil solcher Chimären höher – theoretisch können sich die menschlichen Zellen auch in allen Geweben und Organen wiederfinden – einschließlich des Gehirns und der Keimzellen.
Letzteres aber bedeutet, dass die Nachkommen solcher Chimären ebenfalls menschliche Anteile tragen könnten – dies wäre ein verbotener Eingriff in die Keimbahn. Bisher ist deshalb die Erzeugung von Mensch-Tier-Embryos in vielen Ländern zwar erlaubt. Die resultierenden Mischwesen müssen aber schon am 14. Tag nach der Befruchtung abgetötet werden. In China besteht diese Einschränkung allerdings nicht und Japan hat vor wenigen Tagen diese Beschränkung ebenfalls gelockert.
Worum geht es bei den aktuellen Chimären-Projekten?
Konkret soll das Team um den japanischen Forscher Hiromitsu Nakauchi durch Injektion von Stammzellen in Embryos schon Mischwesen aus Schimpansen und Makaken erzeugt haben. 2010 produzierten sie zudem Mäuse, die eine aus Rattenzellen bestehende Bauchspeicheldrüse besaßen. Eine solche Zucht eines „Fremdorgans“ in einer Chimäre wird möglich, wenn zuvor gezielt die für die Entwicklung dieses Organs nötigen Gene beim Ausgangsembryo ausgeschaltet werden. Langfristiges Ziel der Forscher ist es jedoch, mit diesem Verfahren künftig Schweine mit menschlichen Organen zu züchten.
Ein ähnliches Ziel verfolgen der spanische Forscher Juan Carlos Izpisua Belmonte und sein Team. Sie haben eigenen Angaben nach Makaken-Embryos mit pluripotenten menschlichen Stammzellen versetzt. Den Forschern zufolge entstanden daraus Affe-Mensch-Chimären, die dann kurz vor der Geburt abgetötet wurden. Allerdings: Bisher ist dieses Experiment in keinem Fachjournal veröffentlicht, daher sind keine näheren Details dazu bekannt. Zudem fand es in China statt, weil dort Mensch-Tier-Chimären über den 14. Tag hinaus gezüchtet werden dürfen.
Affen-Chimären in der Kritik
Die Berichte über diese beiden Chimären-Projekte haben weltweit für Aufmerksamkeit, aber auch Kritik gesorgt. Dabei werden die Ansätze der beiden Teams aber durchaus unterschiedlich bewertet – auch, weil Chimären aus Affe und Mensch ethisch besonders umstritten sind. Wegen ihrer großen biologischen Ähnlichkeit wären die nichtmenschlichen Primaten zwar für viele Forschungsansätze inklusive der Organzucht ideal. Gleichzeitig macht gerade ihre enge Verwandtschaft das Experimentieren mit Affen nach Ansicht vieler ethisch fragwürdig. Der deutsche Ethikrat lehnt daher Affe-Mensch-Mischwesen grundsätzlich ab.
Ähnlich sieht dies auch Rüdiger Behr vom Deutschen Primatenzentrum: „Affe-Mensch-Mischwesen nach den Verfahren, die hier diskutiert werden, halte ich für unethisch“, kommentiert er. „Bei Affe-Mensch-Mischwesen sehe ich eine größere Gefahr einer echten Mischwesen-Entstehung: Dass nicht nur ein klar abgegrenztes Organ aus menschlichen Zellen in einem Tier entsteht, sondern eine umfangreichere Durchmischung menschlicher und tierischer Zellen im entstehenden Organismus erfolgen könnte.“
Wie geregelt ist das Vorgehen?
Den japanischen Ansatz der gezielten Organzucht im Schwein hält Behr dagegen für weniger bedenklich. Zum einen besteht seiner Ansicht nach bei einer solchen Chimäre ein geringeres Risiko der ungeregelten Verbreitung menschlicher Zellen, zum anderen ist ihr Anteil insgesamt eher gering: „Bei einem Schwein-Mensch-Mischwesen zur Herstellung einer Ersatzbauchspeicheldrüse würde der Anteil der menschlichen Zellen geplanter Weise wohl weniger als ein Prozent am gesamten Tier ausmachen“, so Behr.
Und noch etwas kommt hinzu, wie Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrates, in einem Kommentar anmerkt: „Die Japaner haben angekündigt, Schritt für Schritt vorzugehen, wollen sich extern überwachen lassen und haben eine rote Linie markiert und suchen das Gespräch mit der Öffentlichkeit.“ Anders dagegen sei dies beim spanisch-chinesischen Projekt: „Belmonte geht aufs Ganze und will gleich Embryonen aus Primat und Mensch herstellen“, so Dabrock. Dabei sei zu erwarten, dass die Mischbildung auch im Hirn des erzeugten Organismus erfolge. Das habe eine völlig andere Qualität als nur die Herstellung von abgegrenzten Organen.
Für beide Projekte allerdings gilt: Wie erreichbar die Ziele der beiden Forscherteams tatsächlich sind und ob es gelingt, gezielt Menschenorgane in Tieren zu züchten, ist bisher noch offen.
Quelle: Stanford University, El Pais, Science Media Centre