Ideen, wie man zwischen dem Molekül- und dem Vier-Quark-Zustand unterscheiden kann, haben die Physiker um Ulrich Wiedner bereits. Sie wollen sie unter anderem an einem neuen Beschleuniger testen, der derzeit in Darmstadt entsteht: der „Facility for Antiproton and Ion Research„, kurz FAIR. Dort wird das „Panda“-Experiment laufen; der Name steht für „Anti-Proton Anihilation at Darmstadt“. Bis diese Anlage läuft, dauert es aber noch fünf bis sechs Jahre.
So lange suchen die Wissenschaftler am chinesischen Beschleuniger weiter nach unbekannten Teilchen und versuchen, die Eigenschaften der neu entdeckten Vertreter genauer zu bestimmen.
Neben den merkwürdigen Zc(3900)-Teilchen haben sie inzwischen auch ähnliche, aber ungeladene Zustände entdeckt, die mit dem Vorsatz X oder Y gekennzeichnet werden. Auch diese sind im Vergleich zu zuvor beschriebenen Materiebausteinen sonderbar, zum Beispiel weil sie eine besonders lange Lebensdauer besitzen.
„Gluebällen“ auf der Spur
Doch sie sind nicht die einzigen ungewöhnlichen Materiezustände, denen Ulrich Wiedner auf der Spur ist. Mit dem neuen Experiment am FAIR-Beschleuniger möchte er auch die Struktur von derzeit nur theoretisch vorausgesagten Teilchen, den Gluebällen, ergründen. Sie bestehen ausschließlich aus Gluonen, den Trägern der starken Wechselwirkung. „Die Struktur von Gluebällen zu verstehen wäre ein Traum“, sagt der Forscher. Anders als der Name suggeriert, glaubt er nicht, dass sie rund wie eine Kugel sind.
In einer theoretischen Arbeit schlug Wiedner mit Kollegen vor, dass Gluebälle die Form eines in sich verdrehten oder verknoteten Donuts haben könnten. Dass die Gluebälle existieren, da ist sich der Physiker einigermaßen sicher. „Wir haben mit dem Experiment in China ein Teilchen gefunden, das Eta-1405, das ein heißer Kandidat für einen Glueball ist“, erzählt er. Bewiesen ist das zwar noch nicht. „Aber wir arbeiten daran“, so Wiedner.
Verbindung zur Stringtheorie
Besonders hoch ist die Motivation dafür, weil ein Nachweis der Gluebälle nicht nur für das Verständnis der starken Wechselwirkung interessant wäre. Es gibt auch eine Verbindung zur Stringtheorie – also zu der Theorie, die die bislang nicht zu vereinende Gravitationslehre mit dem Standardmodell der Teilchenphysik in Einklang bringen könnte. „Die Stringtheorie macht bestimmte Vorhersagen für Gluebälle“, erklärt Wiedner. „Wenn wir Gluebälle fänden und diese Vorhersagen testen könnten, wäre es das erste Mal, dass wir Teile der Stringtheorie experimentell überprüfen könnten.“
Bis es so weit ist, wird womöglich noch etwas Zeit ins Land ziehen. Aber Ulrich Wiedner ist zuversichtlich: „Wenn man weiß, wonach man suchen muss, kann es manchmal ganz schnell gehen“, sagt er. Das heißt: Wenn ein Glueball nachgewiesen ist, könnte in kurzer Zeit ein ganzes Spektrum von Gluebällen in den Daten auffindbar sein. Dabei können auch neue Experimente am FAIR-Beschleuniger helfen, an denen die Bochumer Forscher beteiligt sein werden.
Derzeit sind sie aber erst einmal damit beschäftigt, Teile für den FAIR-Detektor zu bauen. „Als Teilchenphysiker braucht man eben Geduld“, weiß Wiedner.
Quelle: Julia Weiler/ RUBIN, Ruhr-Universität Bochum