Archäologie

Älteste Hochgebirgssiedlung entdeckt

Menschen besiedelten schon vor 40.000 Jahren das Hochgebirge Äthiopiens

Bale Mountains
Heute sind die Bale Mountains in Äthiopien gletscherfrei - doch vor 40.000 Jahren war das anders. © Götz Ossendorf

Extremer Lebensraum: Forscher haben in Äthiopien die bislang ältesten Spuren einer Hochgebirgssiedlung entdeckt. Funde aus einem Felsunterstand in fast 3.500 Meter Höhe belegen, dass Menschen dort schon vor rund 40.000 Jahren dauerhaft lebten. An das Leben in dieser extremen Lage hatten sich unsere Vorfahren offenbar erstaunlich gut angepasst: Sie nutzten Schmelzwasser der Gletscher, jagten Riesenratten und bauten Obsidian im Gebirge ab.

Dünne Luft, starke UV-Belastung, extreme Temperaturschwankungen und unwirtliches Gelände: Das Leben im Hochgebirge bedeutet ein Leben unter Extrembedingungen. Trotzdem hat sich der Mensch auch diesen Lebensraum im Laufe der Zeit erobert. Doch wann begannen unsere Vorfahren erstmals in Höhen von 2.500 Metern oder mehr aufzusteigen und sich dort niederzulassen?

Lange Zeit gingen Forscher davon aus, dass die Besiedlung des Hochgebirges erst vergleichsweise spät in der Menschheitsgeschichte ihren Anfang nahm. Archäologische Funde unter anderem aus dem tibetischen Hochland und den Hochebenen der Anden deuten jedoch zunehmend darauf hin: Womöglich erschlossen sich die Menschen das Hochgebirge früher als gedacht.

Felsunterstand
Dieser Felsunterstand diente schon vor 40.000 Jahren Menschen als Wohnstätte. © Götz Ossendorf

Wohnstätte in extremer Höhe

Wie früh, das belegt nun ein spannender Fund aus Äthiopien: In den dortigen Bale Mountains haben Götz Ossendorf von der Universität zu Köln und seine Kollegen auf einer Höhe von fast 3.500 Metern erstaunlich alte Besiedlungsspuren entdeckt. In dem Felsunterstand Fincha Habera fanden die Wissenschaftler steinzeitliche Knochenreste, Überreste von Feuerstellen und der Zubereitung von Speisen, aber auch Objekte, die aus niedrigeren Höhenlagen herangeschafft worden sein mussten.

Damit schien klar: Fincha Habera wurde immer wieder von Menschen als Wohnstätte genutzt. Aber wann genau? Die Datierung der Funde ergab, dass der Unterstand schon vor 47.000 bis 31.000 Jahren wiederholt besiedelt wurde. „Bei dieser Fundstelle handelt es sich damit um die früheste längerfristig genutzte Wohnstätte einer Hochgebirgsregion, die uns bisher weltweit bekannt ist“, erklärt Ossendorf.

Leben unterhalb von Gletschern

Um mehr darüber herauszufinden, unter welchen Bedingungen die frühen Hochgebirgssiedler lebten, rekonstruierte das Forscherteam unter anderem auch das Klima, das damals in der Gebirgsregion herrschte. „Die Bale Mountains sind wegen der Lage in den inneren Tropen heute trotz ihrer Höhe unvergletschert“, berichtet Mitautor Alexander Groos von der Universität Bern. „Moränenwälle und andere glaziale Hinterlassenschaften zeugen jedoch davon, dass das äthiopische Hochland während der letzten Kaltzeit intensiv vergletschert war.“

Riesenmaulwurfsratte
Kieferknochen der Riesenmaulwurfsratte - sie war die Hauptnahrungsquelle der Steinzeit-Siedler. © Götz Ossendorf

Den Ergebnissen zufolge befand sich der Unterschlupf 500 Meter unterhalb der Gletscher. Durch das phasenweise Abschmelzen des Eises hatten die steinzeitlichen Siedler so eine wichtige Wasserquelle in der Nähe. Als Nahrung diente den Jägern und Sammlern hauptsächlich die Riesenmaulwurfsratte (Tachyoryctes macrocephalus), wie Ossendorf und seine Kollegen herausfanden. Das in den Bale Mountains endemische Nagetier war ganzjährig in großen Mengen verfügbar, leicht zu jagen und wurde von den Siedlern am offenen Feuer gegrillt.

„Enormes Anpassungspotenzial“

Auch eine weitere Ressource könnte den Steinzeit-Menschen das Leben in der Höhe schmackhaft gemacht haben: Ausgrabungen und Geländeerkundungen enthüllten, dass an fünf Stellen auf 4.200 Metern Höhe Obsidian gewonnen wurde. Bekannt ist, dass unsere Vorfahren dieses vulkanische Gesteinsglas nutzten, um scharfkantiges Werkzeug herzustellen. Auch die Bewohner von Fincha Habera machten sich offenbar immer wieder von ihrem Basislager aus auf, um diesen kostbaren Rohstoff zu beschaffen. Dies untermauern auch zahlreiche Steinartefakte aus dem Material.

Den Forschern zufolge liefert die rekordalte Hochgebirgssiedlung nicht nur neue Erkenntnisse über die Erschließung hoch gelegener Lebensräume durch den Menschen. „Für uns geben diese Siedlungsspuren und ihre Untersuchung auch einen außergewöhnlichen Einblick darüber, was für ein enormes Anpassungspotenzial der Mensch hat, um sich körperlich, aber auch kulturell-strategisch auf seinen Lebensraum einzustellen“, schließt Ossendorf. (Science, 2019; doi: 10.1126/science.aaw8942)

Quelle: Universität Bern/ Philipps-Universität Marburg/ Universität zu Köln

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