Medizin

Frühes Alzheimer-Symptom aufgeklärt

Noch nicht verklumptes Beta-Amyloid löst Überaktivität von Nervenzellen aus

Alzheimer
Lange vor den ersten Gedächtnisproblemen zeigt sich Alzheimer oft durch eine Hyperaktivität von Neuronen im Hippocampus. © Y. Zhang und A. Konnerth/ TUM

Schädliche Proteine: Nicht nur die für Alzheimer typischen Verklumpungen von Beta-Amyloid-Proteinen wirken toxisch im Gehirn. Schon frühe, noch nicht verklumpte Versionen dieser Stoffe können schädliche Effekte entfalten, wie eine Studie nun zeigt: Sie behindern nämlich den Abtransport des wichtigen Neurotransmitters Glutamat – und lösen so eine Hyperaktivität von Neuronen aus. Diese krankhafte Erregung von Nervenzellen ist eines der ganz frühen Symptome der Demenzerkrankung.

Alzheimer ist eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen weltweit. Als typisches Symptom der fortschreitenden Zerstörung von Gehirnzellen finden sich im Denkorgan von Patienten Ablagerungen verklumpter Proteine: Anstatt abgebaut zu werden, sammeln sich sogenannte Beta-Amyloid-Proteine immer weiter an. Die dabei entstehenden Plaques gelten als möglicher Auslöser für Entzündungsprozesse, synaptische Fehlfunktionen und schlussendlich den Zelltod.

Neuronale Hyperaktivität

Viele bisher erforschte Therapien zielen daher darauf, diese Verklumpungen zu entfernen – doch weitreichende Erfolge blieben bisher aus. „Entscheidend ist, dass wir die Krankheit viel früher erkennen und behandeln“, konstatiert Arthur Konnerth von der Technischen Universität München. Auf der Suche nach alternativen Behandlungsansätzen haben sich der Mediziner und seine Kollegen um Erstautor Benedikt Zott daher nun einem ganz frühen Merkmal dieser Demenzform gewidmet.

Wie Studien nahelegen, kommt es bei vielen Alzheimer-Patienten schon lange vor dem ersten Auftreten von Gedächtnisausfällen zu einer auffällig gesteigerten Aktivität von Neuronen – vor allem im Hippocampus und in manchen Regionen der Großhirnrinde. Doch was ist der Grund? „Die offene Frage war, ob auch noch nicht so stark verklumpte Beta-Amyloid-Proteine zelluläre Dysfunktionen wie Hyperaktivität herbeiführen können“, erklären die Wissenschaftler.

Schlüsselfaktor Glutamat

Um dies herauszufinden, führte das Team um Zott Zellversuche und Experimente mit Mäusen durch. Die Nager waren genetisch so verändert, dass sich in ihrem Gehirn wie bei Alzheimer Beta-Amyloid-Proteine ansammelten. Es zeichnete sich ab: Offenbar könnten die Beta-Amyloid-Proteine tatsächlich eine Rolle für die übermäßige Aktivität in bestimmten Bereichen des Alzheimer-Gehirns spielen. Denn diese Moleküle behindern den Transport des Botenstoffs Glutamat, wie die Versuche ergaben.

Als sogenannter Neurotransmitter ist Glutamat wichtig für die neuronale Kommunikation, es aktiviert Nervenzellen. Diese Wirkung entfaltet der Botenstoff, wenn er in den synaptischen Spalt zwischen zwei Neuronen ausgeschüttet wird. Um die Wirkung zu beenden, müssen die Glutamat-Moleküle anschließend wieder in die Zelle zurücktransportiert werden. Dieser Vorgang findet zum einen aktiv über spezielle Pumpmoleküle statt, zum anderen passiv durch einfachen Transport entlang der Membranen.

Nicht nur Plaques wirken schädlich

Wie die Forscher feststellten, blockieren Beta-Amyloid-Proteine die Nervenzellmembranen, sodass das Glutamat nicht mehr so gut zurücktransportiert werden kann. Als Folge bleibt das Glutamat zu lange und in zu hohen Konzentrationen im synaptischen Spalt – und dadurch kommt es zur Übererregung der Nervenzelle.

Das Entscheidende: Nicht nur verklumpte Versionen der Proteine wirken auf diese Weise auf Neuronen im Hippocampus, sondern auch frühe, lösliche Formen. So wird Beta-Amyloid im Gehirn zuerst als einzelnes Molekül gebildet, formt dann Dimere und erst später lange Ketten, die die Plaques bilden. „Unsere Daten liefern einen klaren Beweis für eine direkte toxische Wirkung der Dimere“, berichtet Zott.

Neuer Ansatz für Therapien?

Schon bevor es zu den typischen Verklumpungen kommt, entfalten Beta-Amyloid-Proteine demnach womöglich schädliche Effekte im Gehirn: indem sie den Abtransport von Glutamat erschweren. Den Forschern zufolge passt diese Erkenntnis zu der Beobachtung, dass bestimmte Wirkstoffe, die in das Glutamat-System eingreifen, gegen den Verlust der geistigen Fähigkeiten zu helfen scheinen.

Lassen sich diese Ergebnisse bestätigen, wäre damit nicht nur die Ursache der überaktiven Nervenzellen im Gehirn von Alzheimer-Patienten geklärt. Mit der Entschlüsselung dieser frühen Störung könnten sich auch neue Ansätze für früh im Krankheitsverlauf einsetzende Therapien der Demenz ergeben, so die Hoffnung des Teams. (Science, 2019; doi: 10.1126/science.aay0198)

Quelle: Technische Universität München

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