Mathematik

Mathematik: Was macht eine Formel schön?

Auch Laien stimmen in ihrem Urteil über die Schönheit mathematischer Gleichungen überein

Mathematik
Ob wir eine mathematische Formel instinktic als schön empfinden, hängt überraschenderweise von den gleichen Kriterien ab wie bei einem Kunstwerk. © Emilija Randjelovic/ iStock.com

Abstrakte Ästhetik: Selbst mathematische Laien können die „Schönheit“ einer mathematischen Formel erkennen und bewerten, wie ein Experiment enthüllt. Dabei waren sich die Laien nicht nur weitgehend einig in ihrer Einstufung. Sie beurteilten die Ästhetik der Gleichungen auch mit denselben Kriterien wie die Schönheit eines Gemäldes – besonders wichtig waren demnach Eleganz, Klarheit und Tiefgründigkeit, wie die Forscher im Fachmagazin „Cognition“ berichten.

Hinter vielen als schön angesehenen Kunstwerken steckt Mathematik – beispielsweise in Form des Goldenen Schnitts. Und auch wohlklingende Musik und Mathematik sind eng miteinander verknüpft. Umgekehrt soll schon Albert Einstein gesagt haben, dass eine richtige Gleichung meist auch besonders schön und elegant ist. Tatsächlich gibt es Hinweise darauf, dass eine gewisse mathematische Symmetrie eher als korrekt empfunden wird.

Gemälde, Musik und Mathe-Formeln im Schönheitstest

Doch wie objektiv lässt sich die „Schönheit“ einer mathematischen Formel überhaupt einschätzen? „Mathematiker beschreiben Gleichungen oft als ’schön‘ oder aber ‚glanzlos‘ und berühmte Wissenschaftler behaupten, dass mathematische Schönheit ein Wegweiser zur Wahrheit ist“, sagen Samuel Johnson von der University of Bath und seine Kollegen. „Aber können auch Laien Mathematik als ästhetisch empfinden?“ Und sind de Kriterien dabei die gleichen wie für die Schönheit von Kunst oder Musik?

Um das herauszufinden, haben Johnson und sein Team 300 mathematische Laien um ihre Einschätzung gebeten. Ein Teil der Versuchspersonen sollte vier mathematische Formeln und vier Gemälde nach ästhetischen Kriterien einander zuordnen – das schönste Bild mit der schönsten Gleichung und so weiter. Die zweite Gruppe bekam statt der Gemälde vier klassische Musikstücke zum Mathematikvergleich.

Die dritte Gruppe sollte die vier Gleichungen und vier Gemälde jeweils auf Basis von neun Kriterien beschreiben und einstufen. Darunter waren Eleganz, Neuheit, Klarheit, Einfachheit, Komplexität, Universalität, Tiefgründigkeit, Ernsthaftigkeit und Kunstfertigkeit.

Eleganz, Klarheit und Tiefgründigkeit

Das überraschende Ergebnis: Tatsächlich stuften die Versuchspersonen die Formeln nicht nur als unterschiedlich „schön“ ein – sie waren sich in ihrer Einstufung auch weitgehend einig. Auffallend viele Probanden fanden die gleichen ästhetischen Übereinstimmungen bei den Bildern oder Musikstücken und den Matheformeln. „Die Rangzuordnungen waren zwischen den Teilnehmern konsistent“, berichten Johnson und seine Kollegen.

Interessant auch: Die Kriterien, mit denen die Teilnehmer Schönheit definierten, stimmten bei Kunst, Musik und Mathematik ebenfalls in vielen Aspekten überein. „Wenn die Teilnehmer die Schönheit für Kunstwerke und mathematische Argumente einstufen sollten, waren dieselben drei Kriterien ausschlaggebend: Eleganz, Klarheit und Tiefgründigkeit“, berichten die Forscher. Zudem stimmten die Einstufungen dieser dritten Gruppe mit den Rangfolgen der ersten Gruppe überein.

Leichterer Zugang zur Mathematik?

Nach Ansicht der Wissenschaftler zeigt dies, dass auch mathematische Laien einen Sinn für die „Schönheit“ von abstrakten Gleichungen haben. Zudem demonstrieren die Ergebnisse, dass dabei ähnliche ästhetische Kriterien zum Tragen kommen wie bei der Bewertung von Kunst oder Musik. Die Eigenschaften, die wir instinktiv als schön empfinden, sind demnach relativ universell.

Diese Erkenntnis könnte auch dabei helfen, den Menschen und vor allem Schülern den Zugang zur Mathematik zu erleichtern. „Wenn man versteht, was Menschen in der Mathematik als schön ansehen, dann könnte dies auch Einblicke darin geben, wie sie Mathematik verstehen und verarbeiten“, sagt Johnson. „Das wiederum eröffnet Möglichkeiten, abstrakte, formelle Aspekte der Mathematik zugänglicher und spannender für Schüler zu machen.“ (Cognition, 2019; doi: 10.1016/j.cognition.2019.04.008)

Quelle: Yale University

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