Klima

Eisberge kühlen Südhalbkugel

Kühleffekt vermehrter Eisbergbildung könnte vorübergehenden Klima-Aufschub bringen

Eisberg
Große Eisberge wie dieser können zur Kühlung des Südozeans beitragen – und so die Erwärmung vorübergehend verzögern. © Elizabeth Crapo/ NOAA

Wie Eiswürfel in einem Glas: Der Klimawandel lässt nicht nur die antarktischen Gletscher schmelzen, sie könnten auch mehr Eisberge kalben. Das jedoch würde die Erwärmung regional sogar bremsen – wenn auch nur vorübergehend, wie eine Studie enthüllt. Denn die eisigen Flöße kühlen bei ihrer Norddrift den Ozean und verzögern so die Erwärmung der Südhalbkugel. Das könnte Städten wie Buenos Aires und Kapstadt einen Klima-Aufschub bescheren, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Climate Change“ berichten.

Durch die fortschreitende globale Erwärmung schmelzen vor allem in der Westantarktis die Gletscher. Dadurch strömt immer mehr Schmelzwasser ins Südpolarmeer und fördert den Meeresspiegelanstieg. Gleichzeitig jedoch brechen von den Gletschern und Schelfeisen immer häufiger große Eisberge ab, beispielsweise beim Larsen-C-Schelfeis oder in naher Zukunft beim Brunt-Schelfeis. Die Eisberge driften dann auf vier Hauptwegen langsam in nördlichere Gefilde, wo sie bei Kontakt mit wärmeren Meeresgebieten langsam schmelzen.

Effekt der Eisberge bisher kaum erforscht

Das Problem jedoch: Während die Folgen des verstärkten Schmelzwassereinstroms ins Meer relativ gut erforscht sind, gilt dies für die Eisbergproduktion bisher nicht. In vielen gängigen Simulationen kommt der Effekt der Eisberge sogar gar nicht vor – dabei kann dieser erheblich sein, wie Fabian Schloesser von der University of Hawaii in Manoa und sein Team erklären.

„Eisberge können große Entfernungen driften, bevor sie völlig abschmelzen“, erklären die Forscher. „Dadurch erzeugen sie räumlich und zeitlich variierende Schmelzwassermuster, die sich über den gesamten Südozean erstrecken können.“ Wie Eiswürfel in einem Glas sorgen die tauenden Eisberge dabei lokal für einen Kühleffekt und wirken der verstärkten Erwärmung und Schichtung des Meeres durch das direkte Gletschertauen sogar entgegen.

Messbare Kühlung der Meeresoberfläche

Doch wie stark ist dieser Eisbergeffekt? Um das herauszufinden, haben Schloesser und sein Team Klimasimulationen mit verschieden großen Anteilen von direktem Schmelzwasser und Eisbergproduktion durchgeführt und die Effekte auf Meereszustand und Temperaturen verglichen. Sie nutzten dafür ein gemäßigte Klimaszenario (RCP 4.5) und eines, das von einer nahezu ungebremsten Erwärmung ausgeht (RCP 8.5)

Das Ergebnis: Geht man von einem substanziellen Anteil von gebildeten Eisbergen aus, wirken diese dem Effekt des direkten Schmelzwassers tatsächlich entgegen. Statt die Meeresoberfläche wärmer zu machen und so die Schichtung zu stabilisieren, kühlen die Eisberge die Meeresoberfläche. Denn sie schmelzen erst dann, wenn sie in wärmere Meeresregionen gelangen – und der Übergang zum flüssigen Zustand erfordert Wärmeenergie, die das Eis dem umgebenden Wasser entzieht.

Verzögerung der Erwärmung um bis zu 50 Jahre

„Diese Oberflächenkühlung ist in den Regionen am stärksten, in denen sich das Abtauen der Eisberge konzentriert“, berichten die Forscher. Entlang der Hauptwege, auf denen die Eisberge nordwärts driften, kann der lokale Kühleffekt daher sogar bis zu sechs Grad erreichen. Am stärksten ist dies den Modellen zufolge im nördlichen Rossmeer und in der Scotiasee zwischen Feuerland und der Westantarktischen Halbinsel.

Das jedoch bedeutet: Sollten durch den Klimawandel vermehrt Eisberge entstehen, könnten sie die Erwärmung in Teilen der Südhalbkugel sogar vorübergehend ausgleichen oder zumindest verlangsamen. „Abhängig davon, wie schnell der antarktische Eisschild zerfällt, könnte der Eisbergeffekt die künftige Erwärmung in Städten wie Buenos Aires und Kapstadt um zehn bis 50 Jahre verzögern“, sagt Koautor Axel Timmermann vom Institut für Grundlagenforschung in Korea.

Das warme Ende kommt trotzdem

Allerdings: Von Dauer ist der positive Effekt der Eisberge leider nicht. Denn auch sie geben Schmelzwasser ab, das auf lange Sicht die Meeresspiegel ansteigen lässt. Im wärmsten Szenario würde allein durch das Schmelzen der Eisberge im Laufe des 21. Jahrhunderts der Meeresspiegel um 80 Zentimeter anstiegen, wie die Forscher berichten. Hinzu kommt: Wenn die Erwärmung weiter anhält, sind die Gletscher irgendwann so dezimiert, dass statt Eisbergen nur noch Schmelzwasser entsteht.

„Unsere Ergebnisse demonstrieren, dass es für künftige Klima- und Meeresspiegelmodelle wichtig ist, von einer realistischen Kopplung des Eisschildzerfalls mit der Eisbergproduktion auszugehen“, betonen Schloesser und sein Team. Sie wollen nun als nächstes diese Verknüpfung noch genauer erforschen. (Nature Climate Change, 2019; doi: 10.1038/s41558-019-0546-1)

Quelle: Institute for Basic Science

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