Medizintechnik

Nanoröhren gegen Herzrhythmusstörungen?

Leitende Fasern aus Kohlenstoff-Nanoröhren "überbrücken" geschädigtes Herzgewebe

Herz
Wenn das Herz aus dem Takt gerät, kann das lebensgefährlich sein. © dr microbe/ iStock.com

Neu verdrahtet: Spezielle Fasern aus Kohlenstoff-Nanoröhren könnten gegen Herzrhythmusstörungen helfen. Denn wie Forscher berichten, lässt sich mit diesem flexiblen, aber gleichzeitig leitenden Material geschädigtes Herzgewebe gewissermaßen überbrücken. An solchen Stellen im Pumporgan ist die Weiterleitung elektrischer Reize häufig gestört – mithilfe der Fasern aber lässt sich die Erregungsleitung offenbar verbessern.

Herzrhythmusstörungen wie das Kammerflimmern oder die Kammertachykardie gehören zu den häufigsten Ursachen des plötzlichen Herztods. Diese Arrhythmien entstehen, wenn in den Herzkammern chaotische Erregungen ablaufen und der Herzmuskel dadurch ungeordnet und in falschem Tempo kontrahiert.

Herzinfarkt-Patienten und Betroffene anderer Herzerkrankungen gelten in diesem Zusammenhang als besonders gefährdet. Denn sie haben oft vernarbtes oder anderweitig geschädigtes Herzgewebe. Entlang solcher Stellen kann die Weiterleitung elektrischer Impulse verlangsamt oder gar ganz blockiert sein – Erregungsstörungen sind die Folge.

Gestörte Erregungsleitung korrigieren

Implantierbare Defibrillatoren können das Herz bei Risikopersonen zwar immer wieder in den richtigen Takt zurückversetzen. „Bis heute gibt es allerdings keine Technologie, die die zugrundeliegende Ursache von Kammerarrhythmien beseitigt: die gestörte Erregungsleitung im Herzen“, erklärt Mehdi Razavi vom Texas Heart Institute in Houston.

Genau dies könnte eine raffinierte neue Lösung jedoch bald möglich machen. Denn Razavi und seine Kollegen um Erstautor Mark McCauley von der University of Illinois in Chicago haben einen Weg gefunden, das geschädigte Gewebe im Pumporgan zu überbrücken – und die Erregungsleitung so zu korrigieren.

Kohlenstoff-Nanoröhren-Fasern
Diese feinen Fasern könnten geschädigtes Herzgewebe "überbrücken". © Texas Heart Institute

Nanoröhren-Fasern als Überbrückungsmaterial

Als Überbrückungsmaterial dienten den Forschern flexible Fasern aus Kohlenstoff-Nanoröhren. Diese bereits vor einigen Jahren entwickelten Materialien sind mitunter dünner als ein menschliches Haar, enthalten aber Millionen dieser mikroskopisch kleinen röhrenförmigen Gebilde aus Kohlenstoff. Das Besondere: „Die Kohlenstoff-Nanoröhren-Fasern kombinieren die mechanischen Eigenschaften eines Fadenmaterials mit den leitenden Eigenschaften eines Metalls“, berichtet das Team.

Aus diesem Grund werden die Fasern unter anderem bereits für den Einsatz in Cochlea-Implantaten oder elektrischen Schnittstellen mit dem Gehirn getestet. Doch würden sie sich auch zur Neuverdrahtung des Herzens eignen?

Tests mit Schafen und Nagern

Dies untersuchten die Wissenschaftler für ihre Studie zunächst mit Schafen, bei denen die Erregungsweiterleitung im Pumporgan gestört war. Im Test nähten Razavi und seine Kollegen die leitenden Fasern über vernarbtes Gewebe, als Kontrolle dienten Seidenfäden. Dabei zeigte sich: Durch die Überbrückung mit den Fasern verbesserte sich die Erregungsleitung im Herzen sofort. Die zuvor noch verlangsamte oder blockierte Weiterleitung elektrischer Impulse funktionierte wieder.

Weitere Untersuchungen offenbarten, dass die Fasern auch bei Mäusen und Ratten mit einem Herzschrittmacher ihre Funktion erfüllten. Zudem schien das Material keine unerwünschten Nebenwirkungen zu erzeugen und für den Körper gut verträglich zu sein. „Damit liefern wir den ersten Beleg für eine Wiederherstellung der elektrischen Erregungsleitung im Herzen mithilfe eines synthetischen Materials“, konstatieren die Forscher.

Einsatz beim Menschen noch Zukunftsmusik

Wie Razavi und sein Team berichten, gibt es zwar auch Medikamente, die bei Arrhythmien wirkungsvoll sind. Doch diese Mittel seien gerade bei Herzinfarkt-Patienten oft kontraindiziert. „Was wir aus therapeutischer Sicht wirklich brauchen ist, das Leitvermögen zu erhöhen. Die Kohlenstoff-Nanoröhren-Fasern könnten dies leisten“, sagt Razavi.

Bis das Potenzial der Fasern erstmals bei Menschen getestet werden kann, ist jedoch noch viel Arbeit nötig. So müssen die Wissenschaftler eine minimal-invasive Methode entwickeln, mit der die Fäden an Ort und Stelle gebracht werden können. Außerdem gilt es, die beste Größe sowie die nötige Stärke und Flexibilität der Fasern für den Einsatz am menschlichen Pumporgan zu bestimmen. (Circulation: Arrhythmia and Electrophysiology, 2019; doi: 10.1161/CIRCEP.119.007256)

Quelle: Rice University

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