Nach 40 Jahren endlich geschafft: Forscher haben erstmals ultradünne Nylonschichten mit elektronisch nutzbaren Eigenschaften erzeugt – sogenanntes ferroelektrisches Nylon. Diese nur wenige hundert Nanometer dicken Polymerschichten ermöglichen dünne, transparente Elektronik wie Transistoren, Dioden oder Mikrokondensatoren. Das neue Herstellungsverfahren für solche Nylon-Elektronik eröffnet nun konkrete Anwendungsmöglichkeiten.
Der Trend geht zur tragbaren, flexiblen Elektronik – sei es in Form von biegsamen Displays, dehnbaren Solarzellen oder in Kleidung eingewebten Leuchtdioden. Auch flexible, als Pflaster tragbare Sensoren haben Forscher schon in verschiedenen Varianten entwickelt. Die meisten dieser elektronischen Helfer basieren auf Komponenten aus klassischen Materialien wie Metallelektroden, die zu extrem feinen Drähten verarbeitet sind.
Polymere als Elektronikmaterial
Doch es gibt auch nichtmetallische Materialien, die sich als Elektronik-Grundstoff eignen würden. Eines davon ist Nylon – ein typischerweise eher für Damenfeinstümpfe und Synthetiktextilien verwendeter Kunststoff. „Vor fast 30 Jahren hat man jedoch festgestellt, dass manche Nylons auch ferroelektrische Eigenschaften zeigen“, erklären Saleem Anwar vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz und seine Kollegen. Wenn ferroelektrische Materialien einem elektrischen Feld ausgesetzt werden, bilden sich zwei Pole entgegengesetzter Ladung im Material. Diese Polung kann durch Strom umgeschaltet werden.
Wegen dieser Eigenschaften werden ferroelektrische Materialien unter anderem als Sensoren, Aktuatoren, Kondensatoren und Datenspeicher eingesetzt. Bisher allerdings sind die meisten Ferroelektrika keramikbasiert – was sie für flexible Anwendungen ungeeignet macht, wie die Forscher erklären. Deutlich besser wären dafür flexible und dehnbaren Polymere wie Nylon. Denn sie können mit geeigneten Lösungsmitteln verflüssigt und in gelöstem Zustand kostengünstig zu flexiblen Ferroelektrika verarbeitet werden.
Erst lösen, dann vakuumtrocknen
Das Problem jedoch: Ausgerechnet das ferroelektrische Nylon-11 ließ sich bisher nicht als ultradünne Schicht herstellen. Bisherige Versuche erzeugten Folien von immer noch Dutzenden Mikrometern Dicke – zu viel für moderne Hightech-Elektronik. „Die anfängliche Begeisterung ist dadurch ziemlich abgeflaut, weil man es nicht schaffte, ferroelektrische Nylon-Dünnfilme durch Lösungsprozesse herzustellen“, erklären Anwar und seine Kollegen.
Jetzt haben die Forscher dieses vierzig Jahre alte Problem gelöst und ein Verfahren zur Herstellung ferroelektrischer Nylon-Dünnschichtkondensatoren entwickelt. Dafür lösten sie Nylon in einer Mischung aus Trifluoressigsäure und Aceton auf. Die Nylonlösung wird dann als dünne Schicht auf eine Unterlage aufgesprüht und einem Vakuum ausgesetzt. Dadurch verdampft das Lösungsmittel und es bleibt ein ultradünner Nylonfilm übrig.
Ferroelektrisches Nylon in ultradünn
Das Entscheidende dabei: Die resultierenden Nylon-Dünnfilme sind nicht nur 100-mal dünner als ein menschliches Haar, sie besitzen auch die Molekülstruktur, die sie ferroelektrisch macht. Diese besteht aus nur schwach geordneten Polymerketten, die durch starke Wasserstoffbrückenbindungen miteinander verbunden sind. „Die ferroelektrischen Eigenschaften dieser Dünnfilme sind mit denen dickerer Nylonschichten vergleichbar“, berichten die Forscher.
Wichtig auch: Die dünnen Nylonschichten sind extrem glatt und frei von Lücken oder Löchern. „Dies ist sehr wichtig, da es den elektrischen Durchbruch von beispielsweise Kondensatoren und somit die Zerstörung elektronischer Schaltungen verhindert“, erklärt Forschungsgruppenleiter Kamal Asadi vom MPI für Polymerforschung. „Gleichzeitig sind die dünnen Filme aufgrund der Glätte transparent, was transparente elektronische Geräte ermöglicht.“
Erster Nylonkondensator im Test
In einem ersten Test stellten die Forscher mit ihrem neu entwickelten Verfahren Hochleistungs-Nylonkondensatoren her. Diese Prototypen unterzogen sie vielfachen Spannungszyklen, um deren Belastbarkeit und Haltbarkeit zu testen. Das Ergebnis: Die ultradünnen Nylonkondensatoren blieben selbst bei Millionen von Auf- und Entladevorgängen noch stabil, wie Anwar und seine Kollegen berichten.
Damit könnten ultradünne Nylonschichten in Zukunft zu einem wichtigen Bestandteil für flexible Elektronik werden. „Dies macht solche Nylons attraktiv für Anwendungen wie biegsame Geräte, Softroboter, biomedizinische Instrumente und elektronische Textilien“, so die Forscher. (Science Advances, 2019; doi: 10.1126/sciadv.aav3489)
Quelle: Max-Planck-Institut für Polymerforschung