Klar scheint bei Diabetes bisher: Es sind nicht die Gene allein – aber es ist auch nicht der Lebensstil allein. Natürlich sei es vorteilhaft, gesund zu essen und sich viel zu bewegen, sagt Diabetesforscher Al-Hasani. „Es wäre allerdings falsch, zwischen Genen und Lebensstil zu trennen. Wir glauben, dass es sich um ein Netzwerk handelt, mit steter Interaktion.“ Doch dieses Netzwerk erweist sich als komplizierter als erwartet. Zwar tritt Diabetes häufig in Verbindung mit Übergewicht auf, aber längst nicht alle Übergewichtigen werden Diabetiker.
„Es gibt auch fettleibige Menschen mit Insulinresistenz, die trotzdem nie einen Diabetes entwickeln“, sagt Annette Schürmann, Professorin für Experimentelle Diabetologie beimDeutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE). Selbst bei genetischer Belastung lasse sich die Krankheit durch ausgewogene Ernährung und mehr Bewegung hinauszögern oder verhindern. Umgekehrt ist beispielsweise seit Kurzem bekannt, dass körperliche Betätigung bei einigen Menschen weniger stark diabetespräventiv wirksam ist als bei anderen.
Und auch wer ein Diabetes-Gen in sich trägt, erkrankt nicht automatisch. Weitere Gene zu identifizieren, müsse daher bei der Diabetes-Ursachen-Forschung nicht unbedingt zum Ziel führen. „Vielleicht müssen wir auf seltenere Genvarianten schauen anstatt auf die häufigen“, sagt Al-Hasani. „Aber vielleicht müssen wir uns auf andere biologische Parameter konzentrieren.“
Biomarker gesucht
Forscher arbeiten bereits daran, möglichst viele Stoffwechselmoleküle zu erfassen, also zum Beispiel Fette oder Aminosäuren. Langfristiges Ziel der Forschung ist es, Patienten mit einem hohen Risiko für Diabetes zu finden, bevor die Krankheit manifest wird, und aus den Erkenntnissen eine Therapie abzuleiten und die schwerwiegenden Folgeerkrankungen abzumildern.
Im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD hofft man, diesem Ziel mit Hilfe des Biomarkers Fetuin A nahezu kommen. Dieses Protein wird bei stark Übergewichtigen gebildet, wenn ihre Leber verfettet ist. Dieses Molekül könnte daran beteiligt sein, die Wirkung des Blutzucker senkenden Hormons Insulin herabzusetzen. Dadurch wiederum wird ein Typ-2-Diabetes ausgelöst. Das Ziel der Diabetesforscher ist es, über die Messung der Fetuin-Blutwerte zukünftig vorhersagen zu können, welche Patienten besonders gefährdet sind.
Biomarker könnte aber auch zu neuen, gezielter wirkenden Medikamenten führen. Kürzlich konnten Martin Hrabé de Angelis vom Helmholtz Zentrum München und seine Kollegen einen Biomarker identifizieren, mit dessen Hilfe nun Wirkstoffe an einem Diabetes-relevanten Protein getestet werden können. „Das Protein FABP 4 könnte ein vielversprechendes Zielprotein sein für neue Medikamente zur Behandlung von Diabetes und Arteriosklerose“, sagt Hrabé de Angelis. Diese Medikamente sollen effektiver, zielgenauer und vor allem nebenwirkungsärmer helfen als bisherige.