Mikrobiologie

Welche Mikroben tummeln sich auf der ISS?

Mikrobiom auf der Internationalen Raumstation gleicht einem Durchschnittsbadezimmer

Raumstation ISS
Die Internationale Raumstation ISS mag weit von der Erde entfernt sein - doch frei von irdischen Mikroben ist sie nicht. © NASA/ gemeinfrei

Mikrobielle Mitbewohner im All: Astronauten sind auf der Internationalen Raumstation ISS im Großen und Ganzen denselben Mikroorganismen ausgesetzt wie auf der Erde. Wie Analysen offenbaren, gleicht das Mikrobiom dort dem eines normalen Badezimmers. Eine erhöhte Gefahr durch resistente Keime droht den Astronauten demnach nicht. Allerdings: Manche der Mikroben könnten die auf der ISS verbauten Materialien beschädigen.

Der Mensch ist nie allein: Überall auf und in uns leben winzige Organismen, ob auf der Haut, in der Nase oder im Darm. Diese oft nützlichen, aber manchmal auch krankmachenden Mikroben begleiten uns überall mit hin – sogar bis ins Weltall. Mit den Astronauten, die seit dem Jahr 2000 in wechselnder Besatzung die Internationale Raumstation ISS bewohnen, sind daher auch unzählige Bakterien und andere Mikroorganismen in diese Außenstation der Menschheit gelangt.

Gefahr für Gesundheit und Technik?

Doch mit welchen Folgen? Wie Wissenschaftler um Maximilian Mora von der Medizinischen Universität Graz berichten, stellen die mikrobiellen Mitbewohner im All gleich in zweifacher Hinsicht ein potenzielles Risiko dar: Erstens ist das Immunsystem der Astronauten im Weltraum herabgesetzt, sodass sie anfälliger für mikrobielle Infektionen werden. Darüber hinaus könnten sich in dem hermetisch abgeriegelten Bereich besonders viele gefährliche resistente Keime tummeln.

Zweitens kann auch die Technik an Bord Schaden nehmen. So ist beispielsweise bekannt, dass sogenannte technophile Mikroorganismen Metalllegierungen und Polymere angreifen können. Vor allem von bestimmten Pilzen geht demnach eine mögliche Bedrohung für die Funktionstüchtigkeit der Raumstation aus.

Wischproben aus der ISS

Ob die Mikroben auf der ISS tatsächlich eine Gefahr für Astronauten und Technik sind, haben Mora und seine Kollegen nun untersucht. Dafür nahm US-Astronaut Jack Fischer im Auftrag der Forscher zwischen April und Juni 2017 Wischproben von unterschiedlichen Oberflächen in der Raumstation. So wurden das Raumlabor Columbus, die Schlafplätze der Astronauten sowie das sogenannte „Waste and Hygiene Compartment“ inklusive des Toilettenbereichs beprobt.

Diese Wischproben analysierten die Wissenschaftler anschließend und verglichen das Ergebnis mit dem typischen Mikrobiom von Gebäuden und Umgebungen auf der Erde. Die Auswertungen zeigten: Die Astronauten sind auf der ISS offenbar keiner besonderen Gesundheitsgefahr ausgesetzt.

Haut-, Darm- und Umgebungsmikroben

„Das ISS-Mikrobiom unterscheidet sich bezüglich Antibiotika-Resistenzen und anderer, möglicherweise gesundheitsbeeinträchtigenden Eigenschaften nicht vom Mikrobiom einer Innenraumumgebung auf der Erde“, berichtet Moras Kollegin Christine Moissl-Eichinger. „Es entspricht in etwa einem klassischen Badezimmer-Mikrobiom, bestehend aus einer Mischung von Haut-, Darm- und Umgebungsmikroorganismen.“

Konkret identifizierten die Forscher Mikroben aus ganz unterschiedlichen Gattungen – am häufigsten waren Bakterien wie Streptococcus, Lactobacillus oder Staphylococcus. Je nach Ort und Zeitpunkt der Probennahme unterschied sich die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft dabei zwar. Dem Team zufolge zeichnete sich jedoch ab, dass es eine Art Kern-Mikrobiom aus Vertretern von 55 Gattungen zu geben scheint, das im Laufe der Zeit und an unterschiedlichen Stellen gleich ist.

Interaktion mit Oberflächen

Und was bedeuten die mikrobiellen Mitbewohner für die Technik? Während die Wissenschaftler in Bezug auf die Gesundheit Entwarnung geben können, fanden sie jedoch Hinweise auf mögliche Risiken für in der Raumstation verbaute Materialien. So zeigten die Analysen, dass bestimmte Mikroben der ISS genetische Anpassungen besitzen, die es ihnen erlauben, Austrocknung besser zu überstehen, aber auch sich auf metallischen und textilen Oberflächen anzusiedeln.

Weitere Untersuchungen ergaben, dass manche dieser Mikroben tatsächlich auch mit den Oberflächen interagieren können. Durch die Bildung von Biofilmen und mikrobiell produzierte Substanzen wie Säuren könnte die Integrität der Materialien unter Umständen beeinflusst werden, wie das Team erklärt.

Auch für mögliche Mars-Missionen wichtig

Mora und seine Kollegen plädieren daher dafür, Qualitätsstandards und Überwachungsmethoden zu entwickeln, um das Mikrobiom innerhalb von Raumstationen und -schiffen im Blick zu behalten. Die Vermeidung technischer Schwierigkeiten und Epidemien im Weltall ist ihnen zufolge auch für mögliche bemannte Mars-Missionen von großer Bedeutung. Immerhin würde die Reise zum Roten Planeten rund 500 Tage dauern – kranke Astronauten oder Technikprobleme kämen da ziemlich ungelegen. (Nature Communications, 2019; doi: 10.1038/s41467-019-11682-z)

Quelle: Medizinische Universität Graz

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