Überraschendes Phänomen: Das individuelle Diabetes-Risiko wird auch von der Körpergröße beeinflusst. Wie eine Studie nun bestätigt, erkranken kleinere Menschen häufiger an Diabetes Typ 2 als große. Ein möglicher Grund dafür: Kleine Personen haben im Schnitt offenbar mehr Leberfett und einen insgesamt ungünstigeren Stoffwechsel. Sie sollten im Rahmen der Früherkennung daher womöglich engmaschiger untersucht werden, so das Fazit des Teams.
300 Millionen Menschen weltweit leiden an Diabetes mellitus Typ 2. Bei dieser Form der Zuckerkrankheit kann das Hormon nicht mehr genügend Wirkung entfalten, um Zucker aus dem Blut in die Zellen zu transportieren. Als wichtige Risikofaktoren für die Erkrankung gelten neben einer gewissen genetischen Veranlagung unter anderem Übergewicht, Bewegungsmangel und eine falsche Ernährungsweise.
Faktor Größe im Blick
Darüber hinaus zeichnet sich in letzter Zeit ein auf den ersten Blick überraschender Zusammenhang ab: Auch die Körpergröße scheint für das individuelle Diabetes-Risiko eine Rolle zu spielen, wie Studien nahelegen. Ein ähnliches Phänomen ist bereits von Krebs bekannt. Doch während bei Tumorleiden große Menschen im Nachteil sind, erhöht im Fall von Diabetes offenbar eine kleine Statur das Erkrankungsrisiko.
Wie stark aber ist dieser Effekt – und wie lässt er sich erklären? Um das herauszufinden, haben sich Clemens Wittenbecher vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke und seine Kollegen dem Faktor Körpergröße nun noch einmal näher gewidmet. Für ihre Untersuchung analysierten sie Daten von 2.662 deutschen Teilnehmern der sogenannten EPIC-Studie, die zwischen 1994 und 1998 rekrutiert und über einen längeren Zeitraum begleitet worden waren.
Deutlicher Zusammenhang
Wie erwartet zeigte sich auch bei diesen Probanden ein Zusammenhang zwischen der Körpergröße und der Wahrscheinlichkeit, an Diabetes Typ 2 zu erkranken. Konkret ergaben die Auswertungen: Pro zehn Zentimeter mehr auf der Messlatte sank das Diabetes-Risiko bei Männern im Schnitt um 41 und bei Frauen um 33 Prozent. Weitere mögliche Einflussfaktoren wie Alter und Lebensstil hatten die Forscher zuvor herausgerechnet.
Wie Wittenbecher und sein Team herausfanden, schien der Einfluss der Körpergröße bei Normalgewichtigen besonders stark zu sein. Bei gemessen am Taillenumfang übergewichtigen oder adipösen großen Menschen schwächte sich der Effekt dagegen ab. „Dies könnte bedeuten, dass der negative Effekt durch einen erhöhten Taillenumfang den positiven Wirkungen im Zusammenhang mit der Körpergröße entgegenwirkt“, erklären die Wissenschaftler.
Leberfett als Erklärung?
Wie aber kommt die Verbindung zwischen Größe und Erkrankungsrisiko überhaupt zustande? Auf der Suche nach Antworten analysierten die Forscher eine Reihe biologischer Werte, die bei den Studienteilnehmern gemessen worden waren – darunter den Fettanteil in der Leber, Blutfettwerte sowie die Konzentration bestimmter Peptidhormone.
Die Ergebnisse zeigten: Wurden diese Faktoren in die Berechnungen miteinbezogen, war der Effekt der Körpergröße gar nicht mehr so deutlich. Allein beim Leberfett stellten die Forscher zum Beispiel fest: Statt den vorherigen 40 Prozent ergab sich für Männer nun nur noch eine Risikominimierung von 34 Prozent pro zusätzlichen zehn Zentimetern. Bei den Frauen sank der Wert von 33 auf 13 Prozent.
Vorbeugende Maßnahmen
Diese Beobachtungen legen nahe, dass die Köpergröße indirekt wirkt: Große Menschen besitzen im Schnitt weniger Leberfett und auch ein insgesamt gesünderes Stoffwechselprofil. Eine mögliche Erklärung dafür: Manche Forscher gehen davon aus, dass eine größere Körpergröße auch Ausdruck eines Überangebots von hochkalorischer Nahrung in prägenden Phasen der Entwicklung sein kann. Dies könnte demnach bereits im Mutterleib zu einer lebenslangen Programmierung führen, die sich positiv auf den Fettstoffwechsel und die Insulinempfindlichkeit auswirkt.
Klar scheint auf jeden Fall: Auch wenn die geringe Körpergröße nicht die eigentliche Ursache für das erhöhte Diabetes-Risiko ist – sie könnte künftig als zusätzlicher Indikator dienen, um Risikopersonen zu identifizieren. Nach Ansicht von Wittenbecher und seinen Kollegen bietet es sich beispielsweise an, kleine Menschen regelmäßiger auf ihre kardiometabolischen Werte hin zu untersuchen – und dabei insbesondere auf das Leberfett zu achten.
„An der Körpergröße kann man natürlich wenig ändern. Maßnahmen, die das Leberfett reduzieren, könnten jedoch eine Möglichkeit sein, das mit dem Größenfaktor assoziierte Risiko für Diabetes Typ 2 zu reduzieren“, so ihr Fazit. (Diabetologia, 2019; doi: 10.1007/s00125-019-04978-8)
Quelle: Diabetologia